In Haftsachen spielt der besondere haftrechtliche Beschleunigungsgrundsatz, dessen Anforderungen über die des allgemeinen Beschleunigungsgrundsatzes hinausgehen, eine große Rolle. Das gilt vor allem, wenn es darum geht, ob die Untersuchungshaft ggf. über sechs Monate hinaus vollzogen werden darf. Das ist nur zulässig, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang des Verfahrens oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zugelassen haben (§ 121 Abs. 1 StPO; dazu eingehend Burhoff, EV, Rn 2373 ff. m.w.N.).
Die damit zusammenhängenden Fragen spielen insbesondere im Ermittlungsverfahren eine Rolle. Dazu verhält sich dann auch noch einmal der KG-Beschluss vom 20.8.2018 ([4] 161 HEs 28/18 [31/18]. Ergangen ist die Entscheidung in einem Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs (§§ 176 ff. StGB). Das KG hat beanstandet, dass Ermittlungen "aufs Geratewohl" durchgeführt worden sind, die die Erledigung der Sache erheblich verzögert haben und daher nicht als wichtiger Grund i.S.d. § 121 Abs. 1 StPO anzuerkennen seien. Das KG hat deshalb den Haftbefehl aufgehoben. Es seien allein durch eine späte Anklageerhebung gut zwei Drittel der Frist, die den Strafverfolgungsbehörden und dem Gericht bis zum Erlass eines Urteils zur Verfügung stehen, verbraucht worden. Dies habe nach Aktenlage seinen tragenden Grund in den Ermittlungen hinsichtlich sichergestellter Handys und sonstiger bei der Durchsuchung aufgefundener Datenträger, deren Auswertung für die Anklageerhebung nicht erforderlich, sondern offensichtlich in erster Linie von der Hoffnung getragen wurde, weitere Taten des Angeklagten, auch gegen mögliche andere Geschädigte, aufdecken zu können. Solche, über die haftbefehlsgegenständlichen Taten hinausgehenden Ermittlungen seien zwar – selbst wenn es keine konkreten Anhaltspunkte dafür gebe, dass weitere Taten aufgeklärt werden können – zulässig und würden insbesondere bei Tatvorwürfen aus dem vorliegenden Deliktsfeld im Regelfall auch sachgerecht sein. In Fällen vollzogener Untersuchungshaft dürften derartige Ermittlungen aber, jedenfalls wenn sie eher "aufs Geratewohl" erfolgen, keinesfalls die Anklageerhebung in einer anklagereifen Sache maßgeblich verzögern. Denn ebenso, wie das in Haftsachen zu beachtende Beschleunigungsgebot im Zwischenverfahren Geltung beansprucht und die unverzügliche Eröffnung des Hauptverfahrens gebietet (vgl. etwa BVerfG StRR 2011, 246 m.w.N.), verlange dieses Prinzip nach Bejahung eines dringenden Tatverdachts bei im Wesentlichen unverändert gebliebener, jedenfalls nicht zugunsten des Beschuldigten geänderter Sach- und Rechtslage – auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Notwendigkeit einzelner Ermittlungen ein gewisser Beurteilungsspielraum einzuräumen ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 121 Rn 21a m.w.N.) – im Regelfall unverzüglich die (lediglich hinreichenden Tatverdacht erfordernde) Anklage der haftbefehlsgegenständlichen Taten. Sollten die weiteren, parallel zur Anklageerhebung vorgenommenen bzw. fortgeführten Ermittlungen zur Aufdeckung weiterer Straftaten führen, können und müssen diese Taten nachträglich angeklagt werden.
Hinweis:
Das KG (a.a.O.) weist ausdrücklich darauf hin, dass die Weigerung des Angeklagten, an der Auswertung der beschlagnahmten Gerätschaften durch Angabe von Entsperrcodes mitzuwirken, ihm nach dem strafprozessualen Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit weder im Allgemeinen noch gar mit der Folge längerer Untersuchungshaft zur Last fallen dürfe. Für diese Bewertung komme es auch nicht darauf an, ob ein Beschuldigter in Bezug auf den Inhalt der Datenträger "etwas zu verbergen" hatte.