In seiner offiziellen Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Verbandssanktionengesetzes (vgl. dazu Anwaltsmagazin ZAP 17/2019, S. 886 f.) hat der Deutsche Anwaltverein (DAV) heftige Kritik an dem Vorhaben aus dem Bundesjustizministerium geübt. Mit der Umbenennung des ursprünglich "Unternehmens- bzw. Verbandsstrafrecht" in jetzt "Verbandssanktionenrecht" betitelten Entwurfs werde versucht, verfassungsrechtlichen Unwägbarkeiten und Problemen mit dem Schuldprinzip aus dem Weg zu gehen. Im Grunde sei das geplante Gesetz "klandestines Unternehmensstrafrecht": Der Gesetzgeber setze auf der Tatbestandsseite auf die "punitive Proklamation" unter weitgehender Beibehaltung bisheriger Haftungsstrukturen aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht. Er agiere "wider der empirisch und gesellschaftstheoretisch belegten besseren Erkenntnis", dass das Strafrecht ein denkbar ungeeignetes Instrument zur Steuerung der Gesellschaft sei.
Das schon im Koalitionsvertrag verabredete Gesetzesvorhaben stellt eine Reaktion auf die Wirtschaftsskandale der letzten Jahre dar. Herzstück des Vorhabens ist die Verantwortlichkeit der Leitungsorgane für Gesetzesverstöße des Unternehmens. Drastisch verschärft werden auch die Strafen: So soll die Obergrenze für Unternehmenssanktionen von derzeit maximal 10 Mio. Euro auf – gestaffelt nach Unternehmensgröße – 10 % des Jahresumsatzes steigen; bei großen Konzernen könnte dies zu Strafen in Milliardenhöhe führen.
Schon dies sprenge – so der DAV – mit Blick auf rechtlich geschützte Interessen sowohl der Anteilseigner als auch der Arbeitnehmer die Grenzen der Angemessenheit. Das gelte schon für die Bemessung der Verbandssanktionen nach dem durchschnittlichen Jahresumsatz, erst recht aber für das Abstellen auf den Konzernumsatz. Die vorgesehene Ausfallhaftung der übergeordneten Konzernunternehmen stelle einen ökonomisch schädlichen Eingriff in Grundprinzipien des Konzernrechts (etwa des Trennungsprinzips) dar.
Die Regelungen zu unternehmensinternen Untersuchungen im Rahmen eines "gestuften Anreizsystems" würden, so kritisiert der Anwaltverein, auf eine rechtsstaatlich problematische "Privatisierung des Ermittlungsverfahrens" zutreiben. Die im Referentenentwurf geforderte funktionale Trennung von Verteidigung und verbandsinterner Untersuchung schwäche die Effektivität der Verteidigung in gleichsam rechtsstaatlich problematischer Weise. Offen blieben arbeitsrechtliche und datenschutzrechtliche Problematiken.
"Rechtsstaatlich inakzeptabel" sei auch die geplante Beschränkung der Beschlagnahmeverbote bei anwaltlichen Berufsträgern. Sie sei ein Angriff auf das Recht des Bürgers auf rechtlichen Beistand. Dem müsse die Anwaltschaft im Interesse des Rechtsstaats und der Mandanten entgegentreten.
[Quelle: DAV]