In einer Entscheidung zum Aufstockungsunterhalt des geschiedenen Ehegatten erläutert der BGH (FamRZ 2020, 21 = NJW 2019, 3570 m. Bespr. Born, NJW 2019, 3555 = FuR 2020, 38) mehrere Aspekte:
a) Stichtagsprinzip
Der Unterhaltsbedarf eines geschiedenen Ehegatten richtet sich gem. § 1578 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen im Zeitpunkt der Scheidung (vgl. oben IV 1). Nacheheliche Entwicklungen wirken sich auf den Bedarf nur aus, wenn ein ehelicher Anknüpfungspunkt vorhanden ist (vgl. BVerfG NJW 2011, 836; BGH FamRZ 2014, 1183). Für die Bemessung des Unterhaltsbedarfs des geschiedenen Ehegatten ist ausnahmsweise die Unterhaltsplicht gegenüber einem neuen Ehegatten zu berücksichtigen, wenn sie bereits die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat. Dies ist der Fall, wenn bereits ein Anspruch der späteren Ehefrau auf Betreuungsunterhalt gem. § 1615l BGB bestand.
b) Bemessungsumstände
- Nach § 1573 Abs. 1 und 2 BGB kann der geschiedene Ehegatte Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Tätigkeit zu finden vermag. Ihm obliegt eine angemessene Tätigkeit i.S.v. § 1574 Abs. 2 BGB. Die Beurteilung hängt von einer Gesamtwürdigung der in Betracht zu ziehenden Umstände ab. Bei Verletzung der Obliegenheit sind die erzielbaren Einkünfte fiktiv zuzurechnen.
- Wenn der Unterhaltspflichtige eine unterhaltsrechtlich anzuerkennende zusätzliche Altersvorsorge betreibt, ist es geboten, dies auch dem Unterhaltsberechtigten durch eine entsprechende Erhöhung des Altersvorsorgeunterhalts zu ermöglichen.
c) Quotenberechnung oder konkreter Bedarf
Die Berechnung des Unterhalts mit der 3/7-Quote des anrechenbaren Einkommens geht davon aus, dass das gesamte Einkommen für Konsumzwecke verbraucht wird. Bei sehr hohem Einkommen ist dies nicht der Fall, und es kommt eine konkrete Bedarfsberechnung in Betracht. Als Familieneinkommen ist dabei das Einkommen anzusehen, das für den ehelichen Lebensbedarf der beiden Ehegatten zur Verfügung steht und damit insoweit unterhaltsrelevant ist. Seit der Entscheidung des BGH (FamRZ 2018, 260 = NJW 2018, 468) zur „Schallgrenze” kann davon ausgegangen werden, dass bis zur Höhe des Doppelten des höchsten Einkommensbetrags der Düsseldorfer Tabelle das Familieneinkommen dem Konsum dient. Der BGH betont, dass in diesem Fall ohne Darlegung der konkreten Einkommensverwendung der Unterhaltsbedarf nach der Einkommensquote bemessen werden kann. Soweit das Einkommen darüber hinausgeht, hat der Unterhaltsberechtigte, wenn er dennoch Unterhalt nach der Quotenmethode begehrt, die entsprechende Verwendung des Einkommens für den Lebensbedarf darzulegen und im Fall des Bestreitens in vollem Umfang zu beweisen.