1. Abgrenzung von erweitertem Umgang und Wechselmodell
Nur bei einem „strikten” Wechselmodell haften die Eltern für den Unterhalt des Kindes quotal nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Bei einem erweiterten Umgang bleibt es nach der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2015, 236; 2014, 917) bei einer Verteilung des Unterhaltshaftung entsprechend § 1606 Abs. 3 BGB. Ein paritätisches Wechselmodell besteht erst dann, wenn jeder Elternteil etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgaben wahrnimmt.
Das KG (FamRZ 2019, 1321 m. Anm. Borth = MDR 2019, 812 = NJW 2019, 2036 m. Anm. Ruetten = FamRB 2019, 472 m. Hinw. Liceni-Kierstein) folgt dieser Rechtsprechung und betont, dass eine paritätische Betreuung auch die hälftige Aufteilung aller organisatorischen Dinge umfasst. Für die Beurteilung kann als wertendes Element die tragfähige Kommunikations- und Kooperationsbasis herangezogen werden. Bei einer Betreuung durch beide Elternteile im Verhältnis von 45 % zu 55 % kann von einem unterhaltsrechtlichen paritätischen Wechselmodell noch keine Rede sein.
Hinweis:
Dem Umstand, dass der barunterhaltspflichtige Elternteil beim erweiterten Umgang einen Teil des Barbedarfs durch Naturalleistungen erfüllt, auch regelmäßig Bekleidung kauft und Reisen finanziert, kann bei der Ermittlung der Quote zur Deckung des Gesamtbedarfs Rechnung getragen werden.
2. Bedarf
a) Konkrete Berechnung
Das KG (FuR 2019, 708 bearb. v. Viefhues = FamRB 2019, 383 m. Hinw. Liceni-Kierstein) weist darauf hin, dass der Grundbedarf eines minderjährigen Kindes regelmäßig bereits durch die Ansätze der „Düsseldorfer Tabelle” abgedeckt wird. Auch bei hohen Einkommensverhältnissen der Eltern und einem sich hieraus ergebenden gehobenen Lebensbedarf dient der Unterhalt der Bedarfsbefriedigung, nicht aber der Teilnahme am Luxus. Wird ein den Höchstansatz der Tabelle übersteigender Unterhalt auf der Grundlage einer konkreten Bedarfsberechnung gefordert, sind etwaige kostenintensive Bedürfnisse aufzuzeigen und ist darzulegen, welche Mittel zu deren Deckung notwendig sind.
b) Kosten einer Internatsunterbringung
Nach Auffassung des OLG Karlsruhe (FamRZ 2019, 1859 = ZAP F. 1, S. 122, EN-Nr. 463/2019) hat der unterhaltspflichtige Elternteil nur dann für den schulischen Mehrbedarf eines Kindes aufzukommen, wenn dieser als berechtigt anerkannt werden kann. Trotz der generellen Bindung an die Entscheidung des sorgeberechtigten Elternteils hinsichtlich der schulischen Ausbildung ist sie unterhaltsrechtlich nur anzuerkennen, wenn die daraus folgende Belastung angemessen ist. Bei den zum angemessenen Unterhalt gehörenden Nebenkosten, die bei einer Internatsunterbringung anfallen (Lehrmittel, Ausflüge, Bastelbedarf sowie Materialien für eine Therapie), handelt es sich nicht um Sonderbedarf, sondern um Mehrkosten des Elementarunterhalts, da sie voraussehbar und regelmäßig anfallen. Sie können daher bei einem bestehenden Unterhaltsurteil nicht mit einer Zusatzklage, sondern nur mit einer Abänderungsklage geltend gemacht werden.
3. Beschränkte Leistungsfähigkeit
a) Klarstellende Hinweise des BGH
Zum Kindesunterhalt bei beschränkter Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen hat der BGH (FamRZ 2019, 1415 = MDR 2019, 1063 = FamRB 2019, 337 m. Hinw. Liceni-Kierstein) klarstellende Hinweise zu einigen Fragen gegeben:
Berücksichtigung von Verbindlichkeiten
Ob Verbindlichkeiten bei der Bestimmung des Kindesunterhalts zu berücksichtigen sind (vgl. BGH FamRZ 2013, 616 u. 1558), kann nur im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung nach billigem Ermessen entschieden werden. Insoweit sind insb. der Zweck der Verbindlichkeit, der Zeitpunkt, die Art ihrer Entstehung, die Dringlichkeit der beiderseitigen Bedürfnisse, die Kenntnis des Unterhaltsschuldners von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld und seine Möglichkeiten von Bedeutung.
Auch minderjährige Kinder müssen sich grds. Verbindlichkeiten zurechnen lassen, soweit sie in der Zeit des Zusammenlebens der Eltern zur Sicherung des gemeinsamen Lebensbedarfs eingegangen wurden, nicht dagegen solche, die der Deckung persönlicher Bedürfnisse des Unterhaltspflichtigen gedient haben. Im Hinblick auf die gegenüber Minderjährigen gesteigerte Unterhaltsplicht ist jedoch der Mindestunterhalt (§ 1612a Abs. 1 BGB) zu zahlen, soweit dies nicht nur auf Kosten einer ständig ansteigenden Verschuldung geschehen kann.
Obliegenheit zur Einleitung eines Insolvenzverfahrens
Im Rahmen einer gesteigerten Unterhaltsplicht kann die Obliegenheit bestehen, ein Verbraucherinsolvenzverfahren einzuleiten, das es dem Unterhaltsberechtigten ermöglicht, für den laufenden Unterhalt auf den Differenzbetrag zwischen dem Pfändungsfreibetrag (§ 850c ZPO) und dem dem Schuldner zu belassenden Unterhalt (§ 850d Abs. 1 S. 2 ZPO) zuzugreifen.
Anteilige Bedarfsdeckung mehrerer Berechtigter
Soweit die zur Leistung des Unterhalts zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen, den Bedarf mehrerer gleichrangiger minderjähriger Kinder zu decken, beschränken sich die einzelnen Ansprüche gegenseitig (§ 1603 Abs. 2 BGB), sodass eine proportionale Kürzung zum jeweiligen Unterhaltsbedarf erfolgt. Maßgeblicher Einsatzbetrag ist der Anspruch jedes Berechtigten, der diesem bei volle...