5. Feststellungsklage, § 43 VwGO
Mit einer Feststellungsklage kann positiv die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses oder die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts oder negativ das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Voraussetzung ist ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung, § 43 Abs. 1 VwGO. Viele Pandemiemaßnahmen bzw. deren fehlende Umsetzung werden mit Feststellungsklagen angegriffen.
Beispiele:
Isolationsverpflichtung (vgl. VG Regensburg, Beschl. v. 4.12.2020 – RO 14 E 20.2978, juris).
Verkleinerung von Schulklassen (VG München, Beschl. v. 30.11.2020 – M 26a E 20.5999, juris Rn 17 f.).
Auch für eine Feststellungsklage ist es erforderlich, dass Tatsachen vorgebracht werden, die die Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte möglich erscheinen lassen, um die Möglichkeit von – dem Verwaltungsprozess grds. fremden – Popularklagen auszuschließen. § 42 Abs. 2 VwGO ist daher entsprechend anzuwenden (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.4.2016 – 1 C 3.15, BVerwGE 154, 328, juris Rn 16; BVerwG, Beschl. v. 30.7.1990 – 7 B 71/90, juris Rn 4). Die Antragsbefugnis fehlt, wenn ein Antragsteller keine Tatsachen vorträgt, die die Verletzung eigener Rechte möglich erscheinen lassen. Ein Antragsteller kann sich insb. nicht darauf berufen, durch die fehlende Umsetzung der Empfehlung des Robert-Koch-Instituts (RKI) zur Verkleinerung von Schulklassen zur Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m in seinem Recht aus Art. 9 GG verletzt zu sein, da der Schutzbereich dieses Rechts nicht betroffen ist.
Hinweis:
Die steuerrechtliche Feststellungsklage ist in § 41 FGO geregelt. Welche Feststellungsklagen im Sozialgerichtsverfahren konkret zulässig sind, ergibt sich aus § 55 SGG.
a) Rechtsverhältnis
Die Feststellungsklage ist ausschließlich gerichtet auf öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse nicht verfassungsrechtlicher Art, die nicht anderen Fachgerichtsbarkeiten zugewiesen sind.
Rechtsverhältnis in diesem Sinne sind die rechtlichen Beziehungen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund öffentlich-rechtlicher Normen ergeben (vgl. BVerwGE 89, 327, 329). Reine Vorfragen können kein Rechtsverhältnis begründen. Rechtsverhältnisse können vergangen, gegenwärtig, zukünftig und bedingt sein. Stehen Teile von Rechtsbeziehungen in Streit, können sich auch daraus Rechtsverhältnisse ergeben (vgl. BVerwGE 92, 172, 174 [BVerwG, Urt. v. 11.3.1993 – BVerwG 3 C 90.90]). Zu nennen sind etwa Leistungspflichten dem Grund und der Höhe nach (BVerwGE 112, 253, 256 [BVerwG, Urt. v. 5.12.2000 – 11 C 6/00]).
Beispiel für ein Feststellungsbegehren:
Feststellung der Erledigung eines Rechtsstreits nach einseitiger Erledigungserklärung.
b) Feststellungsinteresse
Das berechtigte Interesse des Klägers an der baldigen Feststellung ist eine qualifizierte Form des Rechtsschutzbedürfnisses. Das Interesse kann in rechtlicher oder tatsächlicher Art berechtigt sein. Bei vergangenen Rechtsverhältnissen muss eine Wiederholungsgefahr oder ein Rehabilitierungsinteresse bestehen. Nur in Ausnahmefällen ist ein Feststellungsinteresse bei gegenwärtigen Rechtsverhältnissen gegeben.
c) Subsidiarität
Eine Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können, § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO, Grundsatz der Subsidiarität. Entsteht die Möglichkeit, Gestaltungs- oder Leistungsklage erst nach Erhebung der Feststellungsklage zu erheben, bleibt diese zulässig (BVerwGE 54, 177, 179). Der Subsidiariätsgrundsatz gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird, § 43 Abs. 2 S. 2 VwGO. Sinn der Subsidiaritätsklausel ist die Konzentration des Rechtsschutzes auf ein einziges gerichtliches Verfahren (BVerwGE 111, 306, 308 f.).
Hinweis:
VG Köln, Gerichtsbescheid v. 12.10.2020 – 6 K 7086/19, juris Rn 14:
Durch § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO wird der Rechtsschutzsuchende auf die grds. rechtsschutzintensivere Gestaltungs- oder Leistungsklage verwiesen. Sie dient auch dazu, die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen (wie etwa die Fristgebundenheit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage) nicht durch ein Ausweichen auf die Feststellungsklage zu umgehen. Gegenüber diesen Klagearten ist die Feststellungsklage daher subsidiär.
d) Fortsetzungsfeststellungsklage, § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO
Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist eine besondere Form der Feststellungsklage.
Vor allem im Polizei- und Ordnungsrecht ist diese Klageart von Bedeutung, da sich dringliche und grundrechtsintensive Verwaltungsakte oft nach Klageerhebung erledigen. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat, § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO. Es handelt sich hier um den Fall der Erledigung nach Klageerhebung.
Hinweis:
VG Minden, Urt. v. 14.5.2018 – 11 K 730/17, juris Rn 17:
Eine Fortsetzungsfeststellungsklage...