a) Anhörung des Betroffenen im Eilverfahren
Das BVerfG (FamRZ 2020, 1864) stellt heraus, dass es der vorrangige Zweck der Anhörung des Betroffenen im Unterbringungsverfahren nach § 1906 Abs. 1 BGB ist, dem Richter einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen und der Art seiner Erkrankung zu verschaffen, damit er in den Stand gesetzt wird, ein klares und umfassendes Bild von der Persönlichkeit des Unterzubringenden zu gewinnen und seiner Pflicht zu genügen, den ärztlichen Gutachten richterliche Kontrolle entgegenzusetzen. Der Zweck des Verfahrensschutzes bei der Freiheitsentziehung durch Vorbehalt der richterlichen Entscheidung bestehe darin, dass sich das Gericht nicht auf die Prüfung der mit der Antragstellung vorgetragenen Gründe beschränkt, sondern eigenverantwortlich die Tatsachen feststellt, die eine Freiheitsentziehung rechtfertigen. Die persönliche Anhörung des Betroffenen ist gerade bei eilbedürftigen Entscheidungen hierfür ein geeignetes Mittel.
b) Einwilligungsvorbehalt
Soweit zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des untergebrachten Betroffenen erforderlich, ordnet das Betreuungsgericht gem. § 1903 Abs. BGB an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf. Der BGH (FamRZ 2020, 1405 = MDR 2020, 863 = FuR 2020, 592 m. Hinw. Soyla) betont, dass die Notwendigkeit eines solchen Einwilligungsvorbehalts konkreter gutachterlicher Feststellungen bedarf. Im entschiedenen Fall hat er als ausreichend erachtet, dass die Entscheidung an die Feststellungen eines unmittelbar vorausgegangenen Gutachtens anknüpfte, in dem die Notwendigkeit der Unterbringung des an einer paranoiden Schizophrenie leidenden Betroffenen festgestellt worden war.
c) Länger dauernde Unterbringung
Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist gem. § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt. Der BGH (FamRZ 2020, 1406 = MDR 2020, 1251 = FuR 2020, 651 m. Hinw. Soyka) führt aus, dass der Gefährdungsbegriff dieser Vorschrift unverändert bleibt, sodass die Unterbringung auch nach mehrere Jahre dauerndem Freiheitsentzug eine ohne die Freiheitsentziehung nach wie vor bestehende ernstliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben des Betroffenen voraussetzt. Die bereits verstrichene Unterbringungszeit muss aber im Rahmen der für die Fortdauer zu treffenden Prognose berücksichtigt und geprüft werden, ob angesichts des Zeitablaufs die Selbstgefährdung in der für eine Unterbringung erforderlichen Intensität fortbesteht. Besonderheiten können sich ergeben bei einer mehrere Jahre währenden Unterbringung mit Blick auf die Feststellung der vorausgesetzten Gefährdung und die hierfür gebotene Begründungstiefe der gerichtlichen Entscheidung sowie für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Freiheitsentziehung.
d) Zwangsbehandlung und Wille des Betroffenen
Gemäß § 1906a Abs. 2 BGB bedarf die Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Zwangsmaßnahme der Genehmigung des Betreuungsgerichts. Dabei kann der Betreuer nach § 1906a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BGB in die ärztliche Zwangsmaßnahme nur einwilligen, wenn diese dem nach § 1901a BGB zu beachtenden Willen des Betroffenen entspricht. Liegen weder eine Patientenverfügung noch Behandlungswünsche des Betroffenen vor, ist insoweit gem. § 1901a Abs. 2 BGB der mutmaßliche Wille des Betroffenen festzustellen. Der BGH (FamRZ 2020, 1868 m. Anm. Knittel = MDR 2020, 1377) betont, dass der mutmaßliche Wille aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln ist. Zu berücksichtigen sind insb. frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten. Die gesetzliche Regelung ist dahin auszulegen, dass eine Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme auch dann genehmigt werden kann, wenn der zu beachtende Wille des Betreuten nicht festgestellt werden kann. Diese Auslegung entspricht der Gesetzesbegründung, wonach in solchem Falle der Betreuer zum Wohl und Schutz des Betreuten in die ärztliche Zwangsmaßnahme einwilligen könne.
ZAP F. 11 R, S. 229–246
Von RiAG a.D. Kurt Stollenwerk, Bergisch Gladbach