Wie bereits die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) – s. dazu Anwaltsmagazin ZAP 2022, S. 163 f. – hat sich nun auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) auf Anfrage des Bundesjustizministeriums zu der Frage geäußert, ob die jüngst erfolgte Neugestaltung des Rechtsrahmens für Rechtsdienstleister es erfordert, eine "Kohärenz" zwischen den verschiedenen berufsrechtlichen Regelungen herzustellen.
Ebenso wie die BRAK (a.a.O.) hat sich auch der DAV strikt dagegen ausgesprochen, eine Wettbewerbsgleichheit zwischen Rechtsanwälten und Inkassodienstleistern etwa dadurch herzustellen, dass die anwaltlichen Berufsregelungen gelockert werden. Zwar gesteht es der Verein zu, dass es unbefriedigend sei, wenn nichtanwaltliche Inkassodienstleister und Rechtsanwälte teilweise identische Rechtsdienstleistungen erbringen dürfen, dabei aber nur die Rechtsanwälte besonderen berufsrechtlichen Restriktionen, wie z.B. der Verschwiegenheitspflicht und dem Verbot der Vertretung von widerstreitenden Interessen, unterliegen. Ob und in welchem Umfang sich diese unterschiedliche Regulierung zum Nachteil der Anwaltschaft wettbewerbsverzerrend auswirke und ob der Anwaltschaft in ihrer Gesamtheit dadurch tatsächlich Wettbewerbsnachteile am Rechtsdienstleistungsmarkt entstünden, sei aber eine empirisch offene Frage. Diese sei nicht zuletzt deshalb schwierig zu beurteilen, weil die Anbieter von Legal-Tech-Dienstleistungen hauptsächlich das Marktsegment des typischen Masseninkassos bedienten, auf welchem Anwaltskanzleien bislang eine eher untergeordnete Rolle spielten.
Unabhängig davon erfülle das anwaltliche Berufsrecht im rechtsstaatlichen Gefüge nach seinem Sinn und Zweck eine besondere Funktion für die Rechtsordnung und den Rechtsverkehr. Als unabhängige Organ der Rechtspflege ist die Rechtsanwaltschaft zur Beratung und Vertretung in allen Rechtsangelegenheiten berufen und eröffne damit den Rechtsuchenden den Zugang zum Recht. Diese Funktion der Rechtsanwaltschaft sei für die Wahrung des Rechts wesentlich und unverzichtbar. Wegen dieser Bedeutung für das Gemeinwohl sei das anwaltliche Berufsrecht einer Relativierung unter Wettbewerbsgesichtspunkten punktuell grds. nicht zugänglich. Selbst wenn die Anwaltschaft hierdurch gegenüber anderen Rechtsdienstleistern im Nachteil sein sollte, rechtfertige dies für sich genommen wegen des Gemeinwohlbezugs nicht die Aufweichung des anwaltlichen Berufsrechts allein zum Zwecke der Beseitigung vermeintlicher Wettbewerbsnachteile.
Auf der anderen Seite hat der DAV aber auch Bedenken, die Rechtsdienstleister regulatorisch der Anwaltschaft anzunähern. So wenig wie Rechtsanwälte durch Lockerungen des Berufsrechts den nichtanwaltlichen Inkassodienstleistern angenähert werden sollten, sollten Inkassodienstleister "anwaltsähnlich" behandelt werden, fordert der Verein. Die Aufgabenbereiche beider Berufsgruppen seien nämlich nicht vergleichbar, insb. weil der Anwaltschaft die umfassende Funktion der Sicherstellung des Zugangs zum Recht zufalle. Es gebe deshalb eine grundsätzliche Wesensverschiedenheit zwischen der anwaltlichen Tätigkeit und derjenigen eines Inkassodienstleisters. Eine "Einebnung" dieses Unterschieds müsse vermieden werden, um die wichtige Funktion einer unabhängigen Anwaltschaft für die rechtsstaatliche Ordnung nicht zu relativieren und damit zu entwerten. Deshalb, so folgert der DAV, sollten die Inkassodienstleister auch keinen zusätzlichen Regelungen unterworfen werden, die "nicht nachweislich zur Beseitigung von Missständen geboten" seien.
[Quelle: DAV]