Gemäß § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tode einer Person deren Vermögen als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen über, sog. Gesamtrechtsnachfolge. Hierbei unterscheidet das Bürgerliche Gesetzbuch nicht zwischen analogem und digitalem Nachlass. Das Vermögen geht ungeteilt auf den Erben über, wodurch dieser in die Rechtspositionen des Erblassers eintritt (vgl. Palandt/Weidlich, § 1922 BGB, Rn 10).
1. Speichermedium, Daten, Dateninhalt
Zunächst erwirbt der Erbe im Wege der Gesamtrechtsnachfolge unproblematisch das Eigentum an der Hardware (Desktop-Rechner, Laptop, Tablet) und an den Speichermedien (Datenträger, USB-Stick, usw.) des Erblassers. An den auf dem Speichermedium befindlichen Daten erwirbt der Erbe hingegen kein Eigentum. Elektronische Daten sind als solche keine Sachen, da ihnen die für den Sachbegriff kennzeichnende abgrenzbare Körperlichkeit fehlt, wodurch es kein Dateneigentum und auch keinen Datenbesitz geben kann (zuletzt OLG Brandenburg NJW-RR 2020, 54; Müko/Stresemann, § 90 BGB, Rn 25). Diesbezüglich wird in der juristischen Literatur zwischen dem Recht am jeweiligen Speichermedium und den auf ihm verkörperten Daten, den Dateien (sog. Zeichenebene), auf der einen Seite und auf der anderen Seite dem Recht an den durch die Daten verkörperten Gedankengut, den Inhalten (sog. Bedeutungsebene) unterschieden (MAH ErbR/Scherer/Biermann, § 50 Rn 8 m.w.N.; Herzog/Pruns, Der digitale Nachlass, § 1 Rn 27).
Die auf dem Speichermedium befindlichen Dateien (Zeichenebene) teilen das Schicksal des Speichermediums, wodurch zumindest das aus dem Eigentum folgende Recht auf Nutzung des Datenträgers sowie der Zugriff auf die dort gespeicherten Dateien auf die Erben übergeht (vgl. Herzog/Pruns, a.a.O., § 2 Rn 6). Der Erbe kann über die Dateien verfügen, wodurch er bspw. über die Löschung oder Veränderung der Dateien bestimmen sowie die in den Dateien verkörperten Inhalte einsehen kann (vgl. Herzog/Pruns, a.a.O., § 2 Rn 29).
Die jeweiligen Dateninhalte (Bedeutungsebene) können Gegenstand eigener Rechte sein, z.B. Persönlichkeits-, Datenschutz- oder Immaterialgüterrechte. Der Erbe hat für die Vererbbarkeit hier zu prüfen, wer Inhaber dieser Rechtspositionen ist. War der Erblasser Inhaber dieser Rechtsposition, geht diese auf den Erben über (Förster/Fast ZAP 2020, F 12 S. 395 ff. mit Beispielen).
2. Vertragsbeziehungen
Der Erblasser wird, wenn er sich im Internet bewegt hat, mehrere Nutzerkonten bei unterschiedlichen Online-Anbietern eingerichtet haben. Für die Nutzung einer E-Mail-Adresse oder für Bestellungen bei Onlineversandhändlern hat sich der Erblasser mit seinen persönlichen Daten registriert und ggf. bei kostenpflichtigen Angeboten seine Bankdaten hinterlegt. Hierdurch hat der Erblasser mit dem jeweiligen Anbieter einen Vertrag abgeschlossen. Die Ansprüche und Verbindlichkeiten aus diesen schuldrechtlichen Verträgen gehen grds. mit dem Tod auf den Erben über. Der Erbe tritt in die vertragliche Rechtsstellung mit sämtlichen Rechten und Pflichten ein. Dies hat der BGH im Jahre 2018 bestätigt und die Rechte der Erben gestärkt. Entsprechend geht beim Tod eines Kontoinhabers eines sozialen Netzwerks der Nutzungsvertrag grds. nach § 1922 BGB auf dessen Erben über (BGH ZEV 2018, 582, 583). Dem Zugang zu dem Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten stehen weder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers noch das Fernmeldegeheimnis oder das Datenschutzrecht entgegen (BGH ZEV 2018, 582, 583). Im Einzelfall kann die Vererbbarkeit aber vertraglich oder durch das Wesen des Vertrages ausgeschlossen sein. Inwieweit bspw. die Vererbbarkeit eines Kontozugangsrechts durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) ausgeschlossen werden kann, wird unter Ziffer II. dargestellt.
Aktuelle Rechtsprechung: Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat ebenfalls bei der Festsetzung der Berufungsbeschwer zugunsten der Erben entschieden, indem es die Berufungsbeschwer bei einer Verurteilung, den Erben Zugang zu einem Benutzerkonto zu gewähren, auf 200 EUR festgesetzt hat (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.10.2020 – 9 U 1/19, BeckRS 2020, 37589). Gemäß § 511 Abs. 2 ZPO ist eine Berufung nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR übersteigt oder das erstinstanzliche Gericht die Berufung im Urteil zulässt. Das OLG Karlsruhe hat den Aufwand an Zeit und Kosten, der zur Gewährung des Zugangs notwendig ist, auf 200 EUR festgesetzt.
„Wehrt sich der Betreiber des sozialen Netzwerks "Facebook" gegen eine Verurteilung, den Erben Zugang zum Benutzerkonto der verstorbenen Tochter zu gewähren, richtet sich die Berufungsbeschwer nach dem voraussichtlichen Aufwand an Zeit und Kosten, der zur Gewährung des Zugangs notwendig ist. Dieser Aufwand übersteigt einen Betrag von 200 EUR regelmäßig nicht.
Eventuelle Geheimhaltungsinteressen Dritter spielen für die Beschwer der vom Landgericht verurteilten Beklagten keine Rolle.
Aus den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils kann sich eine konkludente Entscheidung über die Nichtzulassung der Berufung ergeben, wenn die Beschwer d...