Ausgangspunkt dieser Entscheidung war ein Lkw-Kartell zwischen MAN, Volvo/Renault, Daimler, Iveco und DAF, das von 1997 bis 2011 unzulässige Preisabsprachen getroffen hatte (European Commission vom 19.7.2016, DG Competition Case AT.39834-Trucks). Dieses Kartell löste grds. gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 101 AEUV Schadensersatzansprüche geschädigter Spediteure aus, die wegen des Kartells überhöhte Kauf- und Leasingpreise bezahlten.
Die Financialright Claims GmbH konnte entsprechende Forderungen von über 3.000 Spediteuren bündeln, um klageweise die Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Das Prozesskostenrisiko wurde über einen Prozessfinanzierer abgesichert. Für Financialright ging es um eine Erfolgsprovision von 33 % der erstrittenen Beträge.
Vor dem LG München scheiterte diese "Sammelklage" (Urt. v. 7.2.2020 – 37 O 18934/17). Das Gericht erkannte zwar an, dass es Anspruchsinhaber mit kleineren Schäden ermöglicht werden soll, ihre Ansprüche ohne großes Kostenrisiko über ein Legal-Tech-Unternehmen geltend zu machen. Das Ausmaß vom Financialright-Modell aber sei vom RDG nach geltendem Recht nicht mehr gedeckt und die erbrachte Rechtsdienstleistung damit gem. § 3 RDG verboten. Daraus folgt, dass die Abtretungen der Spediteure an Financialright nichtig waren (§ 134 BGB). Die "Sammelklage" war daher mangels Aktivlegitimation von Financialright unbegründet.
Dabei war der Optimismus nach dem BGH-Urteil (Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18) groß, dass derartige Legal-Tech-Angebote expandieren könnten. Bei dem BGH-Fall ging es um den registrierten Inkassodienstleister Lexfox, der das Portal Wenigermiete.de betreibt. Es bot einen durch Algorithmus gesteuerten Direktvergleich der eigenen Wohnungsmiete mit dem jeweiligen Mietspiegel an. Daraus ergibt sich ggf. eine zu viel bezahlte Miete. Diese Forderung gegen den Vermieter wird an die Lexfox GmbH abgetreten. Diese setzt sich in erster Linie außergerichtlich, und falls das nicht hilft, gerichtlich, vertreten durch Anwälte, mit dem Vermieter auseinander. Der BGH hat dieses Modell gebilligt, in dem die Inkassolizenz großzügig ausgelegt wurde.
Das LG München betrachtet das BGH-Urteil allerdings als Grenzziehung einer "noch" zulässigen Rechtsdienstleistung. Das Ausmaß des Geschäftsmodells von Financialright verstoße gegen den Schutzzweck des RDG.
Die Einschaltung eines Prozessfinanzierers mache deutlich, dass es Financialright nicht auf eine außergerichtliche Tätigkeit angekommen sei, die von einer Inkassolizenz gedeckt sein könnte, sondern auf die gerichtliche Geltendmachung der Forderungen. Auch der Internetauftritt von Financialright, auf der die "Beteiligung an einer Sammelklage" angeboten wurde, spricht nicht für das Ziel einer außergerichtlichen Einigung. Es ging Financialright von Anfang an um eine gerichtliche Tätigkeit, nämlich die Beteiligung der Spediteure an einer Sammelklage. Wer aber ohne Erlaubnis Rechtsdienstleistungen dieser Art erbringt, verstößt gegen § 3 RDG.
Außerdem sah das LG einen Interessenskonflikt: In dem Pool der über 3.000 Fälle gebe es ggf. aussichtsreiche und weniger aussichtsreiche Forderungen. Im Falle eines Vergleichs, den Financialright im eigenen Ermessen abzuschließen berechtigt sein sollte, würden aber alle einheitlich quotal befriedigt. Dadurch kollidieren ihre Leistungspflichten miteinander, da ein solcher Vergleich diejenigen bevorzuge, die schwächere Positionen innehaben, während diejenigen mit einer sehr guten Rechtsposition benachteiligt werden (§ 4 RDG).
Hinweis:
Legal-Tech-Start-ups können also das Geschäftsmodell nicht beliebig ausweiten. Sie sollten auf die Bündelung heterogener Ansprüche verzichten und sich auf gleichgelagerte Fälle konzentrieren. Dabei sollte der Fokus darauf liegen, die Ansprüche außergerichtlich geltend zu machen.