Crowdworking ist ein zentrales Thema für Start-ups, die Personen für Mikrojobs über eine Internetplattform vermitteln. Stehen die Crowdworker mit dem Betreiber der Plattform in einem arbeitsvertraglichen Verhältnis?
So fotografierte ein Crowdworker, durch Vermittlung der Plattform, Waren in Tankstellen und Märkten, um sie zur Überprüfung der jeweiligen Warenpräsentation weiterzuleiten. Er verdiente für 20 h/Woche ca. 1.800 EUR, die über PayPal ausgezahlt wurden. Er verfügte über eine Gewerbeanmeldung und verdiente auch anderweitig noch Geld. Nach der Kündigung des Vertrags klagte er beim Arbeitsgericht auf die Fortsetzung des Vertrags – zunächst vergebens. Denn der Rahmenvertrag mit dem Plattformbetreiber sah nicht vor, dass der Crowdworker verpflichtet gewesen sei, Aufträge anzunehmen – auch wenn er wirtschaftlich auf die Einnahmen angewiesen gewesen sei (LAG München, Urt. v. 4.12.2019 – 8 Sa 146/19). Allerdings sah das das BAG anders: Zwar bestand die Verpflichtung zur Übernahme von Aufträgen formell nicht. Die Organisationsstruktur des Portals bedingte aber, dass über einen Account angemeldete Crowdworker kontinuierlich einfache, Schritt für Schritt vertraglich vorgegebene Aufträge annehmen, um diese persönlich zu bearbeiten.
Das sah bei genauerem Hinsehen so aus: Crowdworker und Plattform schlossen eine Basisvereinbarung unter Einbeziehung der AGB. Hierdurch erhielt der Crowdworker Zugang zur Internetplattform mit eingestellten Angeboten für Einzelaufträge der externen Kunden. Diese Angebote standen dabei je nach Einzelfall zwei bis vier Wochen zur Verfügung. Innerhalb dieses Zeitraums konnte der Crowdworker mittels App einen Auftrag annehmen, wenn er nicht zwischenzeitlich von einem anderen Crowdworker bearbeitet wurde. Mit dem Anklicken des Auftrags gab es detailliertere Informationen zum Auftrag. Außerdem schuf die Struktur der Plattform einen Erledigungsdruck: die App gab vor, wie viel Zeit für den Auftrag voraussichtlich aufgewendet werden muss. Mit dem Anklicken eines Auftrags lief sodann eine Uhr rückwärts. Nach Ablauf der Zeit, regelmäßig zwei Stunden, konnte der Auftrag nicht weiterbearbeitet werden.
Wer als Crowdworker regelmäßig für die Plattform arbeitete, sammelte außerdem "Punkte" für ein höheres Level, das u.a. den Zugang zu mehreren bzw. besseren Aufträgen eröffnete. Vertragliche Beziehungen bestanden allein zwischen dem Crowdworker und der Plattform. Das BAG stufte das als weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit ein und bestätigte die Eigenschaft des Crowdworkers als Arbeitnehmer (BAG, Urt. v. 1.12.2020 – 9 AZR 102/20).
Hinweis:
Mit dieser Entscheidung ist nicht der Untergang der hiesigen Internetwirtschaft zu beklagen. Ändert man diese Struktur, etwa als echte Vermittlung von Aufträgen, ändert sich auch die Einstufung der Crowdworker.
So urteilte das Hessische LAG (Beschl. v.14.2.2019 – 10 Ta 350/18), dass bei einer anderen Konstellation Crowdworker keine Arbeitnehmer sind. Hier ging es um einen Busfahrer, der Aufträge über eine Internetplattform erhielt. Er bot sich als "Selbstständiger" an, der über keinen eigenen Bus verfügte und bereits das Rentenalter erreicht hatte. Er erhielt einen Auftrag für eine 10-tägige Ungarnreise, den er mit einer "Auftragsbestätigung" vereinbarte. Sein vereinbartes Netto-Honorar i.H.v. 1.400 EUR klagte er vor dem Arbeitsgericht ein – wahrscheinlich aus Kostengründen. Das LAG verwies ihn an die Zivilgerichtsbarkeit: Aus dem Gesamtbild seiner Tätigkeit ergebe sich seine Eigenschaft als Selbstständiger (§ 611a BGB).