Durch die Mietrechtsänderung 2013 wurde der Duldungsanspruch nach § 555d Abs. 1 BGB vom nachfolgenden Anspruch auf Mieterhöhung entkoppelt (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, § 559 BGB Rn 98). Wie seitdem § 555d Abs. 2 S. 2 BGB ausdrücklich für die zu erwartende neue und erhöhte Miete einschließlich der Betriebskostenvorauszahlung vorsieht, können diese Umstände bei der Frage der Duldungspflicht und deren umfassenden Interessenabwägung nicht mehr berücksichtigt werden. Dieser Grundsatz der Nichtberücksichtigung gilt nach zutreffender Ansicht auch für sämtliche wirtschaftlichen oder finanziellen Härteeinwände der Mieterseite, sodass diese Umstände mieterseits nicht mehr vermieterseits angekündigten Modernisierungsmaßnahmen, sondern ausschließlich einer etwaigen und nachfolgenden, vermieterseitigen Modernisierungsmieterhöhung i.R.d. dort durchzuführenden Interessenabwägung nach § 559 Abs. 4 BGB entgegengehalten werden können (BeckOGK/Schindler, Stand: 1.1.2023, § 559 BGB Rn 92).
Hinweis:
Durch die Gesetzeslage seit 2013 kann es also zu dem für den Vermieter durchaus misslichen Ergebnis kommen, dass der Mieter zwar Modernisierungsmaßnahmen nach § 555d BGB dulden muss, der Vermieter aber keine Modernisierungsmieterhöhung nach § 559 BGB fordern kann, da eine solche für den Mieter wirtschaftlich nicht tragbar wäre. Aus Anwaltssicht ist der Vermieter daher vor Ankündigung von Modernisierungsmaßnahmen auf dieses Risiko hinzuweisen, wobei eine etwaige Unsicherheit durch Erhebung einer positiven Feststellungsklage vor dem Beginn der Modernisierungsarbeiten Rechnung getragen werden kann, welche die Möglichkeit einer zahlenmäßig genau bezifferten Modernisierungsmieterhöhung zum Gegenstand hat (ebenso BeckOGK/Schindler, Stand: 1.1.2023, § 559 BGB Rn 93 u. 123; a.A. Schmidt-Futterer/Börstinghaus, a.a.O., § 559 BGB Rn 135). In der Praxis besteht allerdings die erhebliche Schwierigkeit, zu einem so frühen Zeitpunkt bereits die konkrete Höhe der beabsichtigten Mieterhöhung festzulegen.
1. Mögliche Abwägungskriterien zur Feststellung einer nicht zu rechtfertigenden Härte
Eine umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Vermieters muss zum Ergebnis kommen, dass eine Mieterhöhung für den Mieter eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeuten würde. Bei § 559 Abs. 4 BGB geht es daher allein um die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit des Mieters, sodass nicht auf Familien- oder Haushaltsangehörige, Untermieter oder übrige Hausbewohner abgestellt werden darf (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, a.a.O., § 559 BGB Rn 99). Auf Seiten des Mieters sind bei der Abwägung insb. seine Einkommenssituation und die Höhe der geforderten neuen Miete zu berücksichtigen, auf Vermieterseite das finanzielle Interesse an der Kompensation seiner Modernisierungsaufwendungen. Die konkrete Einzelfallabwägung im Prozess ist ureigenste Aufgabe des Tatrichters und von § 286 ZPO umfasst und damit nur eingeschränkt i.R.d. Berufung überprüfbar (Zöller/Greger, 34. Aufl. 2022, § 286 ZPO Rn 23).
2. Rechtsfolge der Härtefallabwägung
Aus der eindeutigen Formulierung in § 559 Abs. 4 BGB („soweit”) ergibt sich, dass auch eine teilweise Unwirksamkeit der geforderten Mieterhöhung möglich ist (vgl. LG Berlin, Urt. v. 29.9.2021 – 64 S 111/20, NJW 2021, 3473). Diese Rechtsfolge ist auch folgerichtig, um eine möglichst einzelfallgerechte Lösung zu ermöglichen, die mit einem „ganz oder gar nicht” unmöglich wäre (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, a.a.O., § 559 BGB Rn 111).
3. Ausschluss des Härteeinwands
In drei Fällen kann sich der Mieter nicht auf eine Härte wegen der Mieterhöhung berufen: Nach § 559 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 BGB dann nicht, wenn die Mietsache lediglich in einen Zustand gebracht wurde, der allgemein üblich ist. Von der eng auszulegenden Ausnahmevorschrift sollen solche Modernisierungen privilegiert werden, die als sich allgemeiner Baustandard im näheren Umkreis der betroffenen Wohnung durchgesetzt haben (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, a.a.O., § 559 BGB Rn 114 f.). Nach § 559 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 BGB kann der Mieter keine Härtegründe gegen Modernisierungsmaßnahmen vorbringen, die der Vermieter nicht zu vertreten hat. Gemeint sind hierbei solche Maßnahmen, zu denen der Vermieter kraft Gesetzes oder bestandskräftigem öffentlich-rechtlichen Bescheid verpflichtet wird. Schließlich sind Härtefallgründe nur zu berücksichtigen, wenn diese nach § 559 Abs. 5 BGB i.V.m. § 555d Abs. 3–5 BGB rechtzeitig angezeigt wurden und keine Mieterhöhung von mehr als 10 % vorliegt (vgl. zu den Einzelheiten einer ordnungsgemäßen Ankündigung Schmidt-Futterer/Börstinghaus, § 559 BGB Rn 124–128).