1. Gesetzliche Grundlage
Eine weitergehende Haftungsbegrenzung sieht hingegen § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BRAO vor. Vereinbarungen auf Grundlage dieser Vorschrift erlauben eine Beschränkung der Haftung bei anwaltlicher Schlechtleistung sogar bei grob fahrlässigem Fehlverhalten (Grams, AnwBl. 2001, 233, 235) und sind auch nach Änderung der BRAO uneingeschränkt möglich (Diller/Heiß, AnwBl. 2021, 672 f., 672). Zudem kann der Rechtsanwalt oder die Berufsausübungsgesellschaft die Haftung von vorneherein auf die Mindestversicherungssumme begrenzen.
2. Wirksamkeitsvoraussetzungen einer individuellen Haftungsbeschränkung
Der Gesetzgeber hat an die Wirksamkeit einer Haftungsbeschränkung nach § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BRAO aber zugleich erhebliche Hürden geknüpft. Werden diese nicht genauestens beachtet, ist die Haftungsbeschränkung im schlimmsten Fall nicht wirksam und der Rechtsanwalt haftet vollumfänglich. Aus diesem Grund sind die einzelnen Voraussetzungen genauer zu betrachten.
a) Einzelfallpostulat
Wichtig ist zunächst, dass die Haftungsbeschränkung nur für den konkreten Einzelfall erstellt wurde. Dies bedeutet, dass ein irgendwie geartetes „Vorhalten” eines Vereinbarungsentwurfs schädlich ist. Selbst wenn dieser Entwurf an das konkrete Mandat angepasst wird, dürfte eine Anfertigung der Vereinbarung für den Einzelfall ausscheiden. Es empfiehlt sich daher jeweils ein einzelnes Schriftstück oder eine neue Datei erstellen zu lassen, die nicht aus einer bestehenden Vorlage heraus entwickelt wird. Eine Verbindung mit anderen Mandatsvereinbarungen ist nicht möglich, da es dann insoweit an dem Charakter einer individuellen Vereinbarung fehlen würden.
b) Tatsächliches Aushandeln der Haftungsbeschränkung
Die Vereinbarung muss zudem von den Vertragsparteien ausgehandelt und nicht durch eine Partei, also regelmäßig durch den Rechtsanwalt, gestellt werden. Hintergrund ist, dass bei einer so weitreichenden Haftungsbeschränkung auf jeden Fall die Entschlussfreiheit des Mandanten gewahrt bleiben muss. Der Mandant soll in die Lage versetzt werden, aktiv am Verhandlungsprozess über die Haftungsbeschränkung teilnehmen zu können. Dies kann dadurch erreicht werden, dass dem Mandanten die Unterschiede zwischen einer unbeschränkten und beschränkten Haftung des Rechtsanwaltes ausführlich (!) aufgezeigt werden. Dazu dürfte zudem gehören, dem Mandanten auch die Haftungssummen der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung zu nennen, welche Grade der Fahrlässigkeit in der anwaltlichen Tätigkeit grds. in Betracht kommen und was die Rechtsprechung hierunter konkret subsumiert. Auch die Aufklärung des Mandanten über eventuelle Probleme bei der Deckung eines Schadens durch die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung nach den §§ 38 Abs. 2, 117 VVG, etwa bei mangelnder Deckung des erwartbaren Schadens, ist erforderlich. Diese umfassende Beratungspflicht wird dabei nur zu leisten sein, wenn man diese durch das Überreichen einer entsprechenden Dokumentation nach der Erläuterung an den Mandanten für erfüllt erachtet. Das Aushandeln der Haftungsbeschränkung kann zugleich nicht einem nichtanwaltlichen Mitarbeitenden in der Kanzlei übertragen werden (Hinne/Klees/Müllerschön/Winkler, a.a.O., 187, kein „Nichtjurist”). Der Mandant darf aber drüber hinaus nicht vor die Wahl gestellt werden, die Haftungsbeschränkung zu akzeptieren oder nicht im Rechtsfall durch die Kanzlei vertreten zu werden (Diller/Heiß, AnwBl. 2021, 672 f., 672). Gleichzeitig muss der Rechtsanwalt aber auch darauf hinweisen, dass die Unterzeichnung der Haftungsbeschränkung für ihn selbst ein essentialia negotii des Anwaltsvertrags darstellt. Das Dilemma ist offensichtlich. Selbst bei Folgemandaten, also einem neuen Auftrag seitens desselben Mandanten, bedarf es stets einer erneuten echten Aushandlung der Haftungsbeschränkung (BGH, NJW 1979, 367).
c) Vereinbarung vor oder während des Vertragsschlusses
Die Haftungsbeschränkung muss zeitlich vor oder spätestens während des Abschlusses des Anwaltsvertrags vereinbart werden. Ist der Anwaltsvertrag erst einmal geschlossen, wurde die Ursache für den Schaden durch anwaltliche Pflichtverletzung nämlich bereits gesetzt, sodass dann insoweit bezüglich einer Haftung nur ein Erlassvertrag in Betracht käme.
d) Schriftformerfordernis
Aufgrund § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 3 BRAO ist für die individuelle Haftungsbeschränkung zwingend die Schriftform vorgesehen. Dies bedeutet in der Praxis, dass der Mandant die Haftungsbeschränkung selbst und persönlich unterzeichnen muss.
Die Rückreichung eines unterzeichneten Exemplars seitens des Mandanten in Textform reicht insoweit keinesfalls aus. Eine Ausnahme gestattet hier nur § 37 BRAO i.V.m. § 126a BGB, wonach die Schriftform durch Übersendung der Vereinbarung in elektronischer Form über das besondere Anwaltspostfach (beA) ersetzt werden kann, soweit es sich bei beiden Parteien um Rechtsanwälte handelt.
Der notwendige Inhalt der Haftungsbeschränkung umfasst die genaue Bezeichnung der Parteien, die eindeutige Bezeichnung des Mandatsvertrags sowie die vereinbarte Haftungshöchstgrenze. Es empfiehlt sich zudem, die individuelle Haftungsbegrenzung nicht mit anderen mandatsbezogenen Vereinbarungen zu verbinden. Insoweit dürfte eine Parallele zu der Unwirksamkeit bei der Verb...