1. Betreuungsbedürftigkeit/Postangelegenheiten
Der BGH (FamRZ 2023, 1057) betont in Fortsetzung seiner Entscheidungen (vgl. BGH, FamRZ 2021, 1737 und FamRZ 2021, 385), dass die Erforderlichkeit einer Betreuung sich nicht allein aus der subjektiven Unfähigkeit des Betroffenen, seine Angelegenheiten selbst regeln zu können, ergeben kann. Nach § 1815 Abs. 1 S. 3 BGB darf ein Aufgabenbereich nur angeordnet werden, wenn und soweit dessen rechtliche Wahrnehmung durch einen Betreuer erforderlich ist. Ob und für welche Aufgabenbereiche ein objektiver Betreuungsbedarf besteht, ist aufgrund der konkreten gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen.
Eine Anordnung zur Entscheidung über die Postangelegenheiten des Betroffenen nach § 1815 Abs. 2 Nr. 6 BGB ist nur zulässig, soweit die Befugnis erforderlich ist, um dem Betroffenen die Erfüllung seiner ihm ansonsten übertragenen Betreuungsaufgaben in der gebotenen Weise zu ermöglichen. Zudem setzt eine solche Anordnung regelmäßig voraus, dass sie erforderlich ist, um eine erhebliche Gefährdung oder Beeinträchtigung von wesentlichen Rechtsgütern des Betroffenen zu beseitigen. Beides muss durch konkrete tatrichterliche Feststellungen belegt werden.
2. Familienangehöriger als Betreuer
Wünscht der Betreute eine bestimmte Person als Betreuer, ist diesem Wunsch nach § 1816 Abs. 2 BGB zu entsprechen. Der BGH (FamRZ 2023, 1310 = NJW 2023, 2571) betont, dass das Gesetz dem Tatrichter bei der Auswahl des Betreuers insoweit kein Ermessen einräumt. Der Wille des Betroffenen kann nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die gewünschte Person zur Führung der Betreuung nicht geeignet ist. Ungeeignet ist sie nicht nur bei Unredlichkeit oder fehlender psychischer oder physischer Voraussetzungen für die Ausübung des Betreueramts. Neben der generellen Eignung ist auch die Eignung für den konkreten Betreuten einzelfallbezogen zu prüfen.
Handelt es sich bei der gewünschten Person um einen Familienangehörigen kann die Bestellung zu erheblichen familiären Konflikten führen, unter denen der Betreute persönlich leiden müsste. Dies kann zu Umständen führen, die auf die Eignung der gewünschten Person durchschlagen. Die durch die Bestellung erwachsenen Spannungen innerhalb der Familie können auch bewirken, dass eine Regelung der wirtschaftlichen oder sonstigen Verhältnisse des Betreuten nicht gewährleistet werden.
3. Vollmacht bei selbstschädigenden Wünschen des Betroffenen
Nach allgemeiner Auffassung können die Angelegenheiten eines Betroffenen gleichermaßen durch einen Bevollmächtigten besorgt werden, wenn dieser über die entsprechende Eignung verfügt. In Fortführung seiner Rechtsprechung (vgl. BGH FamRZ 2013, 1724) betont der BGH (FamRZ 2023, 1748), dass dies auch die Eignung des Bevollmächtigten voraussetzt, eine erhebliche Gefährdung für die Person des Betroffenen oder dessen Vermögen entgegen dessen geäußerten Wünschen abzuwehren. Dies kommt in Betracht, wenn der Betroffene die Gefahr aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung nicht erkennt oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.
ZAP F., S. 213–228
Von RiAG a.D. Kurt Stollenwerk, Bergisch Gladbach