Ausgewählte Aspekte für die Mandatspraxis
I. Einleitung
Die letztwillige Verfügung (Privattestament oder notarielles Testament) enthält die höchstpersönlichen Bestimmungen des Erblassers zu seiner Rechtsnachfolge sowie zur Verteilung seines Vermögens. Dadurch ändert er i.d.R. die gesetzliche Erbfolge ab. Nach dem Erbfall erweisen sich einseitige Testamente oft als unbestimmt, widersprüchlich und damit interpretationsbedürftig. Streit entsteht darüber, was der Erblasser mit seinen Angaben im Testament wirklich meinte. Der nachfolgende Beitrag nennt Ursachen für missglückte einseitige Verfügungen, präsentiert – ohne Vertiefung von Theorienstreit – die für wesentlich gehaltenen Auslegungskriterien und geht auch auf aktuelle Rechtsprechung ein.
II. Testamente und Auslegung
Die Errichtung eines Testaments gilt wegen seines weitreichenden höchstpersönlichen Inhalts als besonders schwierig und ist von unzähligen Unsicherheiten begleitet. Der Verfasser des Testaments bereut oft schon nach kurzer Zeit seinen "letzten Willen". Er ändert ihn nicht selten mehrfach wieder ab oder es entstehen mehrere eigenständige Testamente verschiedenen bzw. sich überschneidenden Inhalts nebeneinander, deren zeitliche Abfolge ebenfalls oft nicht eindeutig ist. Irritationen werden nicht erst durch zehn oder zwölf Verfügungen derselben Person ausgelöst. Aufwändige Auslegungsfragen stellen sich schon dann, wenn das Nachlassgericht neben zwei notariell beurkundeten noch drei eigenhändige Testamente desselben Erblassers zu eröffnen und zu bewerten hat (vgl. das Beispiel bei BayObLG FamRZ 2002, 1746; speziell BayObLG ZEV 2000, 365: rd. 15 Privattestamente).
Hinweis:
Für den Berater und das Nachlassgericht ist im Erbscheinsverfahren in allen Fällen postmortal entscheidend, wie der Erblasser seinen letzten Willen verstanden haben wollte. Die Auslegung führt am Ende zu einschneidenden Entscheidungen. Hierzu hat der Erblasser oft selbst beigetragen, weil er bei der Errichtung "seines Testaments" zu vage oder auch zu komplizierte Formulierungen gewählt hat. Risikofaktoren für missglückte Testamente – insbesondere mit Blick auf das Privattestament (privatschriftliches Testament) – haben oft naheliegende Ursachen.
III. Defizite wegen fehlender Kontrolle
1. Rechtsunsicherheiten
Das vom Erblasser selbst privat erstellte Testament leidet i.d.R. darunter, dass es ohne vorherige Ermittlung des maßgeblichen erbrechtlichen Sachverhalts und ohne fachliche Beratung zustande kommt. Dies hat häufig zur Folge, dass der Erblasserwille in der Verfügung nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt oder völlig widersprechende Formulierungen den Zugang zum wahren Erblasserwillen verschließen. Hinzu kommt, dass ein einmal bestehendes Testament oft nicht angepasst wird, obwohl sich die zugrundeliegenden Verhältnisse nach Testamentserrichtung erheblich verändert haben. Das notarielle Testament, das nicht in angemessenen Zeiträumen überprüft wird, kann in gleicher Weise die Realisierung des Erblasserwillens gefährden. Dies gilt für solche durchaus lebensnahen Entwicklungen nach Testamentserrichtung, wenn der testamentarisch eingesetzte Alleinerbe vor dem Erblasser verstirbt oder die Alleinerbin die Erbschaft formwirksam ausschlägt. Auf diesem Hintergrund verursachen bestimmte Formulierungen schwierige Auslegungsarbeiten für Bevollmächtigte und Gerichte, wenn es im Testament heißt: "Ersatzerben will ich heute ausdrücklich nicht bestimmen" (s. hierzu OLG München ZEV 2009, 239 mit Anm. M. Dietz). Solche Verfügungen zum sog. letzten Willen erschweren zumindest vorläufig die gewünschten klaren erbrechtlichen Verhältnisse. Dies erklärt demzufolge, dass Nachlassgerichte immer wieder mit der Auslegung von umstrittenen letztwilligen Verfügungen dieser oder ähnlicher Art befasst sind. Darüberhinaus werden vom Erblasser auch Begriffe zusammenhanglos in ein unübertroffen sehr kurzes und informationsarmes Testament aufgenommen, dem zwangsläufig trotz wohlwollender Absichten des mit der Auslegung befassten Gerichts die Gültigkeit – auch als Einzeltestament – versagt sein muss, um das Gebot der minimalen Rechtssicherheit nicht zu vernachlässigen (vgl. zuletzt OLG Hamm, Beschl. v. 22.7.2014 – I-15 W 98/14: "Nach meinem Ableben soll die Erbschaft gemäß dem Berliner Testament erfolgen einschließlich der Wiederverheiratungsklausel").
2. Kostenargument
Das Prinzip der Wirtschaftlichkeit gilt offensichtlich auch für die Vorbereitung, Errichtung und Gestaltung von letztwilligen Verfügungen. Daher entscheiden sich viele Erblasser für das Privattestament, das ohne nennenswerten persönlichen und wirtschaftlichen Aufwand niedergelegt werden kann. Dieses Kostenargument führt aber auch dazu, dass eigene sachorientierte Recherchen unterbleiben oder fachliche Beratung gemieden wird. Völlig offen bleibt dann bis zum Erbfall, ob das Testament überhaupt wirksam ist, da fachliche Begleitung bewusst ausgeschlossen ist. Schon die fehlende namentliche Bezeichnung des Erben oder die zu vage Bezeichnung des "Erben" mit nicht ermittelbaren Spitznamen als populäre Synonyme gefährden die Wirksamkeit eines Testaments erheblich. Dasselbe ...