Bereits bei der Definition der Arglist stellen sich ungeahnte Probleme. Eine ältere Definition besteht in folgender Umschreibung: Arglist setzt eine Täuschung zum Zwecke der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus. Die Täuschung muss widerrechtlich sein und erfordert in subjektiver Hinsicht Arglist (vgl. Palandt/Heinrichs, 60. Aufl., § 123 Rn. 2). Eine neuere Ansicht setzt Arglist schlicht mit Täuschungsvorsatz gleich, wobei bedingter (Täuschungs-)Vorsatz genügt (vgl. MüKO-BGB/Armbrüster, 6. Aufl., § 123 Rn. 17; BGH NJW 2001, 2326 f.). Diese praxisüblichen Definitionen bedürfen der näheren Präzisierung.
Hinweis:
Wer nur etwas hätte kennen müssen und dementsprechende Handlungen hätte vornehmen oder unterlassen müssen, handelt allenfalls fahrlässig (vgl. BGH NJW 2007, 3057 f.). Fahrlässigkeit, selbst grobe Fahrlässigkeit, genügt für Arglist aber nicht (vgl. BGH NJW 1977, 1055).
Ein moralisch vorwerfbares Verhalten soll nicht erforderlich sein (vgl. BGH NJW 1990, 975 f.), ebenso wenig ein Schädigungsvorsatz (vgl. BGH NJW 1974, 1505). Der Betreffende muss aber wissen und wollen, dass die Gegenpartei zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst wird, die diese (so) nicht abgegeben hätte (vgl. Beck-OK/BGB – Edition 25, § 123 Rn. 17). Es reicht aus, wenn die Täuschungshandlung eine von mehreren Ursachen ist und die Entschließung lediglich beeinflusst hat (vgl. BGH NJW- RR 2005, 1082 f.).
Im Rahmen von § 444 BGB ist – anders als bei § 123 Abs. 1 BGB – noch darauf hinzuweisen, dass eine Kausalität der Arglist für den Kaufentschluss nicht erforderlich ist, weil § 444 BGB nicht die Freiheit der Willensentschließung schützt, sondern an eine Verletzung der Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache anschließt (vgl. BGH NJW 2011, 3640 f.).
1. Bewusst unwahre Angaben
Liegen bewusst unwahre Angaben vor, ist der Fall in der Praxis einfach zu lösen. Bewusst unwahre Angaben stellen eine Lüge dar, die ohne weiteres den Arglistvorwurf begründen. Fragen sind stets vollständig und wahrheitsgemäß zu beantworten (vgl. BGH, Urt. v. 27.3.2009 – V ZR 30/08). Zwischen einer Lüge und schlicht falschen Angaben gibt es fließende Übergänge. Werden Kellerräume z.B. als Wohnraum angepriesen, obwohl eine erforderliche baurechtliche Genehmigung fehlt oder die Wohnraumnutzung anzeigepflichtig ist, aber noch nicht angezeigt wurde, liegt der objektive Tatbestand einer arglistigen Täuschung vor (vgl. BGH, Urt. v. 27.6.2014 – V ZR 55/13, MDR 2014, 1073 f.).
Zitat
"Allein der Umstand, dass Fragen falsch beantwortet wurden, begründet jedoch noch nicht den Vorwurf der Arglist. Derjenige, der gutgläubig falsche Angaben macht, handelt nämlich grundsätzlich nicht arglistig, mag der gute Glaube auch auf Fahrlässigkeit oder selbst auf Leichtfertigkeit beruhen [m.w.N.]. Anders ist es, wenn der Verkäufer auf Fragen des Käufers falsche Angaben ohne tatsächliche Grundlage – ‚ins Blaue hinein‘ – macht, mit deren Unrichtigkeit er rechnet. Wer so antwortet, handelt grundsätzlich bedingt vorsätzlich" (BGH, Urt. v. 16.3.2012 â^’ V ZR 18/11, NJW-RR 2012, 1078, 1080).
Wissenserklärungen, d.h. Wissensmitteilungen ("laut Vorbesitzer ... "), stellen grundsätzlich weder bewusste Lügen, noch Angaben ins Blaue hinein, noch Beschaffenheitsvereinbarungen dar. Sie sind aber auch nicht gänzlich bedeutungslos, denn der Erklärende muss gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB dafür haften, dass er die Angaben seiner Wissensquelle richtig und vollständig wiedergibt (vgl. BGH, Urt. v. 12.3.2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 ff.).
2. Arglist beim Verschweigen
Zitat
"Bei einer Täuschung durch Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Mangels handelt arglistig, wer einen Fehler mindestens für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragsgegner den Fehler nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte" (st. Rspr. BGH, Urt. v. 12.4.2013 – V ZR 266/11, MDR 2013, 700 f.; BGH NJW 2001, 2326 f.).
a) Objektiver Tatbestand
Das Verschweigen trotz Bestehens einer Aufklärungspflicht stellt eine Täuschung dar (vgl. Palandt/Ellenberger, 74. Aufl., § 123 Rn. 5; Reinking/Eggert, a.a.O., Rn. 4249 ff.). Keine Aufklärungspflicht besteht bei einem Bagatellschaden (nur Lack- aber kein Blechschaden – vgl. BGH NJW 2008, 1517 ff.), wobei die Frage, was genau einem Bagatellschaden unterfällt, in strittigen Fällen so oder so ausgehen kann (vgl. Eggert DAR 2015, 43 [45]).
Gegebenenfalls muss auch bereits über den reinen Verdacht eines Mangels aufgeklärt werden (vgl. BGH NJW-RR 2003, 772 ff.; BGH NJW 1993, 1703 f.; OLG Brandenburg MDR 2013, 206 f.). Ist der Mangel offensichtlich (vgl. BGH NJW-RR 1992, 1076 f.) oder bei der Besichtigung zugänglich und damit ohne weiteres erkennbar (vgl. BGH NJW 2011, 1280 f.; BGH NJW-RR 1994, 907 f.), entfällt bereits der objektive Tatbestan...