Alle Existenzsicherungssysteme unterscheiden bei der Anrechnung von Einkommen (§§ 11–11b SGB II/§ 82 SGB XII/§ 7 Abs. 1–3 AsylbLG) und Vermögen (§ 12 SGB II/§ 90 SGB XII/§ 7 Abs. 1, 5 AsylbLG). In der Regel kennen sie bei der Anrechnung von Vermögen größere Freibeträge als bei der Anrechnung von Einkommen. Deshalb ist es wichtig zuzuordnen, ob eine bestimmte Einnahme als Einkommen oder als Vermögen anzusehen ist.
Für das SGB II hält das BSG an seiner Rechtsprechung fest, nach der es zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen auf den Zuflusszeitpunkt ankommt: Was vor der Antragstellung zugeflossen ist, ist Vermögen, was erst danach zufließt, ist Einkommen (sog. modifizierte Zuflusstheorie: BSG, Urt. v. 30.7.2008 – B 14/11b AS 17/07 R; Urt. v. 30.9.2008 – B 4 AS 29/07 R; Urt. v. 6.10.2011 – B 14 AS 94/10 R). Dabei gilt das Monatsprinzip: Weil der Antrag grundsätzlich auf den Monatsersten zurückwirkt (§ 37 Abs. 2 S. 2 SGB II), sind Zuflüsse, die vor Antragstellung im selben Kalendermonate erfolgen, als Einkommen und nicht als Vermögen anzusehen (BSG, Urt. v. 28.10.2014 – B 14 AS 36/13 R; hierzu Sartorius/Pattar ZAP F. 18, S. 1409–1426).
Nun hatte das BSG zu entscheiden, ob Leistungsberechtigte, denen nach Antragstellung eine Einnahme zufließt, nachträglich den Antrag zurücknehmen oder beschränken können mit der Folge, dass sich Einkommen in (im konkreten Fall geschontes) Vermögen verwandeln würde. Das BSG verneinte dies: Im Grundsicherungsrecht würde eine nachträgliche Rücknahme oder Begrenzung des Antrags einen nachträglichen Eingriff in die materiell-rechtliche Rechtslage bedeuten, der gerade nicht zulässig sei. Zwar könne ein Antrag nachträglich zurückgenommen werden, das habe aber nur zur Folge, dass der Leistungsanspruch erlösche, nicht aber die Wirkung, dass der Tag der Unterscheidung von Einkommen und Vermögen sich verschiebe (BSG, Urt. v. 24.4.2015 – B 4 AS 22/14 R; ebenso schon BSG, Urt. v. 28.10.2014 – B 14 AS 36/13 R).
Hinweise:
- Das BSG hat noch nicht ausdrücklich entschieden, ob Leistungsberechtigte bei der erstmaligen Antragstellung die Wirkung des Antrags auf einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt beschränken können. Hierfür besteht ein Interesse, wenn größere Zahlungen erwartet werden, danach aber ziemlich sicher Hilfebedürftigkeit vorliegt, um eine nahtlose Zahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sicherzustellen. Die Äußerungen in den beiden jüngeren Urteilen lassen sich in beide Richtungen verstehen.
- Erwarten Leistungsberechtigte größere Zahlungen, sollten sie daher mit der Antragstellung bis zum Ende des Monats abwarten, in dem die Zahlung zugeflossen ist. Diese "Manipulation" erlaubt das BSG den Leistungsberechtigten (noch).