1. Regelbedarfe
a) Regelbedarfsstufe 1 für volljährige behinderte Personen im elterlichen Haushalt
Mit Urteilen vom 24.3.2015 (B 8 SO 5/14 R und 9/14 R) hat der 8. Senat des BSG seine Rechtsprechung zum Regelbedarf für volljährige Menschen mit Behinderung fortgesetzt (zu dieser Frage bereits BSG, Urt. v. 23.7.2014 – B 8 SO 14/13, B 8 SO 12/13 R und B 8 SO 31/12 R und Sartorius/Pattar ZAP F. 18, S. 1409–1426; s. ferner jetzt Lenze SozSich 2015, 148), die im Haushalt ihrer Eltern wohnen. Gegen die Auffassung, diesem Personenkreis die Führung eines eigenen Haushalts abzusprechen und daher nur die Regelbedarfsstufe 3 zuzuerkennen, führt das BSG die Vermutung der gemeinsamen Haushaltsführung in § 39 SGB XII an: Solange nicht das Gegenteil bewiesen sei, sei von einem gemeinsamen Haushalt auszugehen. Dieser Gegenbeweis, der erst nach substantiiertem Vorbringen des Sozialhilfeträgers überhaupt versucht werden kann, könne nur aufgrund der Fähigkeiten des behinderten Menschen geführt werden; auf den Willen der Eltern, den behinderten Menschen an der Haushaltsführung zu beteiligen, komme es nicht an. Erst dann, wenn keinerlei eigenständige oder nur eine gänzlich unwesentliche Beteiligung an der Haushaltsführung vorliegt, kann die Regelbedarfsstufe 3 zur Anwendung kommen.
b) Kabelgebühren für fremdsprachige Programme
Für die Empfänger von Grundsicherungsleistungen ist generell der Empfang von Rundfunk und Fernsehen kostenfrei möglich: Es kann eine Befreiung von den Rundfunkgebühren beantragt werden, über Haus- oder Zimmerantenne sind Fernsehprogramme kostenlos zu empfangen (DVB-T). Leistungsberechtigte, die ihr Informationsbedürfnis mangels Deutschkenntnissen mit Kabel-Abonnements fremdsprachiger Fernsehsender decken, haben keinen Anspruch auf zusätzliche Leistungen für diesen höheren Bedarf; vielmehr sind diese Bedarfe nach BSG (BSG, Urt. v. 24.3.2015 – B 8 SO 22/13 R) im Regelbedarf enthalten und können auch nicht über andere Vorschriften (§§ 22 Abs. 6, 24 SGB II; §§ 27a Abs. 4 S. 1, 73 SGB XII) erbracht werden.
2. Mehrbedarfe (§ 21 SGB II)
a) Alleinerziehendenmehrbedarf (§ 21 Abs. 3 SGB II)
Der Alleinerziehendenmehrbedarf (§ 21 Abs. 3 SGB II) ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nur dann zu gewähren, wenn Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammen leben, allein für deren Pflege und Erziehung sorgen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 3.3.2009 – B 4 AS 50/07 R) ist jedoch dieser Mehrbedarf bereits dann in voller Höhe zu berücksichtigen, wenn der leistungsberechtigte Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen; darüber hinaus kann eine Alleinerziehung i.S.d. § 21 Abs. 3 SGB II ebenfalls dann vorliegen, wenn sich geschiedene und getrennt wohnende Eltern bei der Pflege und Erziehung in mindestens eine Woche umfassenden Intervallen abwechseln und sich die anfallenden Pflege- und Erziehungskosten in etwa hälftig teilen ("Wechselmodell"). Allerdings besteht in diesem Fall nur Anspruch auf den halben Mehrbedarf. Nunmehr macht das BSG jedoch deutlich, dass bei Erziehungsanteilen von 60:40 keine in etwa hälftige Teilung mehr anzunehmen ist (BSG, Urt. v. 11.2.2015 – B 4 AS 26/14 R, s. hierzu Harich jurisPR-SozR 20/2015 Anm. 2; bestätigt durch BSG, 12.11.2015 – B 14 AS 23/14 R), so dass es den Alleinerziehendenmehrbedarf beim unterhälftig erziehenden Elternteil vollständig versagte.
b) Unabweisbarer, laufender Sonderbedarf ("Härtemehrbedarf", § 21 Abs. 6 SGB II)
Nach § 21 Abs. 6 SGB II ist bei Vorliegen eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfs ein Mehrbedarf anzuerkennen.
In der Fallgruppe der Krankenbehandlung hat das BSG nun auch die Geltendmachung solcher Krankenbehandlungskosten anerkannt, die privat mit Selbstbeteiligung krankenversicherte Leistungsberechtigte selbst zu bezahlen haben (BSG, Urt. v. 29.4.2015 – B 14 AS 8/14 R). Allerdings hat es diesen Bedarf zugleich zeitlich beschränkt: Dies gilt jedoch nur so lange, bis die Leistungsberechtigten nach entsprechender Beratung des Jobcenters in den Basistarif (seit 1.1.2016: § 152 VAG) ihres Krankenversicherungsunternehmens wechseln konnten.
Für die Fallgruppe der Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts hat das BSG diesen Mehrbedarf nun auch bei solchen Elternteilen anerkannt, die trotz getrennter Wohnungen familienrechtlich nicht getrennt leben und daher eine Bedarfsgemeinschaft bilden (BSG, Urt. v. 11.2.2015 – B 4 AS 27/14 R), jedenfalls dann, wenn die Begründung und Aufrechterhaltung zweier Wohnsitze im Einzelfall gerechtfertigt ist.
3. Bedarfe für Unterkunft und Heizung
Auch im ersten Halbjahr 2015 hat das BSG eine Reihe von Entscheidungen zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) getroffen.
a) Anwendung der Wohngeldtabelle in Orten ohne Mietenstufe
Die Angemessenheit der nach § 22 Abs. 1 SGB II zu übernehmenden Unterkunftskosten ist von den Jobcentern mithilfe eines "schlüssigen Konzepts" zu ermitteln. Liegt ein solches nicht vor oder genügt das angewandte Bewertungsschema nicht den Anforderungen, die die Rechtsprechung des BSG stellt, kann auf die Tabellenwerte des § 12 Wohngeldgesetzes zurückgegriffen werden. Diese Werte unterscheiden auf der Grundlage der Wohngeldverordnung nach Mietstufen. Nicht gesondert erfasst werde...