1. Berufungsschwelle
Zum Thema Berufung thematisierte das BSG in einigen Entscheidungen um die Jahresmitte herum die Berufungsschwelle von 750 EUR nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG. Maßgeblich für das Erreichen der Berufungsschwelle ist, was das SG dem Berufungskläger versagt hat (bzw. wozu er verurteilt worden ist) und was er davon in der Berufungsinstanz weiter verfolgt. Dabei ist auf den Zeitpunkt der Einlegung der Berufung abzustellen. Eine spätere Begrenzung des Berufungsgegenstands hat auf die Zulässigkeit der Berufung grundsätzlich keinen Einfluss mehr (BSG, Beschl. v. 23.7.2015 – B 8 SO 58/14 B; Beschl. v. 5.8.2015 – B 4 AS 17/15 B).
Unzulässig ist eine Berufung nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch in dieser Höhe nach keiner Betrachtungsweise bestehen kann. Im konkreten Fall hatte der Beklagte die geltend gemachten Anwaltsgebühren dem Grunde und der Höhe nach angegriffen, was für die Unzulässigkeit der Berufung nicht ausreichte. Das BSG stellte vielmehr klar, dass es sich dabei um eine Begründetheitsfrage handele (BSG, Urt. v. 25.6.2015 – B 14 AS 38/14 R).
2. Beweisrecht und rechtliches Gehör
a) Beweisanträge
Allgemein bekannt sein dürfte inzwischen, dass Beweisanträge in der letzten mündlichen Verhandlung ausdrücklich und zu Protokoll aufrecht erhalten sein müssen, um wirksam zu sein (BSG, Beschl. v. 16.3.2015 – B 9 V 68/14 B; BSG, Beschl. v. 27.5.2015 – B 9 SB 66/14 B; BSG, Beschl. v. 27.8.2015 – B 5 R 178/15 B).
Weiter hat das BSG eine ältere Rechtsprechung (BSG, Beschl. v. 28.5.1997 – 9 BV 194/96; Beschl. v. 18.12.2000 – B 2 U 336/00 B) reaktiviert, nach der auch das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG einen früher gestellten Beweisantrag erlöschen lässt, wenn er nicht ausdrücklich in dem Schreiben wiederholt wird (BSG, Beschl. v. 20.3.2015 – B 9 V 56/14 B).
Im Berufungsverfahren wird die Pflicht noch weiter gesteigert (ähnlich schon BSG, Beschl. v. 18.12.2000 – B 2 U 336/00 B sowie Beschl. v. 6.7.2006 – B 9a SB 52/05 B): Hört das LSG zu seiner Absicht an, im Beschlussverfahren nach § 153 Abs. 4 S. 1 SGG zu entscheiden, muss ein schon gestellter Beweisantrag ausdrücklich schriftsätzlich wiederholt werden (BSG, Beschl. v. 11.6.2015 – B 13 R 151/15 B; BSG, Beschl. v. 24.7.2015 – B 1 KR 50/15 B).
Revisionsrechtlich ist zu beachten, dass ein Beweisantrag nach § 109 SGG nicht zugleich einen Beweisantrag nach § 103 SGG enthält und eine Verletzung von § 109 SGG ja nicht revisibel ist (BSG, Beschl. v. 24.2.2015 – B 9 V 37/14 B; so schon BSG, Beschl. v. 24.11.1988 – 9 BV 39/88 und BSG, Beschl. v. 22.6.2004 – B 2 U 78/04 B).
b) Beweiswürdigung
Sind Beweise erhoben worden, müssen sie gewürdigt werden. Hier erfordert es der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht, vorab auf die Absicht hinzuweisen, bei der GdB-Feststellung vom Vorschlag des Sachverständigen abzuweichen (BSG, Beschl. v. 20.4.2015 – B 9 SB 98/14 B) oder überhaupt Bewertungsgrundsätze oder eine Beweiswürdigung in die mündliche Verhandlung einzuführen (BSG, Beschl. v. 29.5.2015 – B 13 R 129/15 B).
Die Tatsachengerichte müssen zwar berücksichtigen, dass ärztliche Gutachten grundsätzlich nicht den gleichen Aussage- und Beweiswert besitzen wie gerichtliche Sachverständigengutachten. Dennoch dürfen sie bei freier Beweiswürdigung ärztliche Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren als überzeugender ansehen (BSG, Beschl. v. 29.6.2015 – B 9 V 45/14 B).
Das Gericht darf die Würdigung eines medizinischen Sachverständigengutachtens als nicht überzeugend zwar nicht auf eine von ihm selbst entwickelte Beurteilung stützen. Gerade bei GdB-Verfahren darf es aber anhand der feststehenden medizinischen Tatsachen den Gesamt-GdB selbst beurteilen (BSG, Beschl. v. 27.5.2015 – B 9 SB 66/14 B). Zudem gehört die Bewertung der Überzeugungskraft medizinischer Unterlagen im Hinblick auf, ob Widersprüche, logische Brüche oder nicht fundierte Aussagen vorliegen, gerade zu den Kernaufgaben des Gerichts (BSG, Beschl. v. 29.5.2015 – B 13 R 129/15 B).
c) Terminsverlegungen
Weiter hat das BSG mehrere Entscheidungen zur Frage getroffen, wann ein Gerichtstermin bei Verhinderung der oder des sachbearbeitenden Bevollmächtigten verlegt werden muss.
aa) Sozietäts- und Einzelvollmachten
Es unterscheidet dabei zwischen insgesamt bevollmächtigten Sozietäten und Einzelvollmachten: Ist die ganze Rechtsanwaltssozietät bevollmächtigt, liegt nur dann ein erheblicher Grund für eine Terminsaufhebung vor, wenn bei einer Terminkollision einem anderen Rechtsanwalt der Sozietät keine ausreichende Einarbeitungszeit mehr bleibt oder ein sonstiges besonderes Interesse an der Wahrnehmung des Termins durch den sachbearbeitenden Rechtsanwalt oder die sachbearbeitende Rechtsanwältin gegenüber dem Interesse des Gerichts an der Beschleunigung des Verfahrens überwiegt (BSG, Beschl. v. 11.2.2015 – B 13 R 443/13 B; BSG, Beschl. v. 30.9.2015 – B 3 KR 23/15 B). Bei Einzelvollmachten kann dagegen auch die Vertretung innerhalb der Sozietät nur im Einverständnis mit der Mandantschaft zugemutet werden; eine Verletzung des Mandatsvertrags, der die Unterbevollmächtigung ausschließt, kann nicht verlangt werden (BSG, Beschl. ...