Eine Regelungslücke im Genehmigungsverfahren für lebenswichtige medizinische Zwangsbehandlungen von Personen, die selbst zu einer verantwortlichen Entscheidung nicht in der Lage sind, soll mit einem Gesetzentwurf der Bundesregierung geschlossen werden, der jetzt dem Bundestag zugegangen ist (vgl. BT-Drucks 18/11240). Die Lücke war durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26.7.2016 (1 BvL 8/15, vgl. ZAP EN-Nr. 635/2016) offenbar geworden.
Es geht, wie die Bundesregierung ausführt, um betreute Personen, "die einer ärztlichen Maßnahme mit natürlichem Willen widersprechen, obgleich sie aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können", die aber "ohne die medizinisch indizierte Behandlung einen schwerwiegenden gesundheitlichen Schaden erleiden oder sogar versterben".
Nach geltendem Recht kann der Betreuer eine solche Zwangsbehandlung nur im Rahmen einer freiheitsentziehenden Unterbringung, also in einer geschlossenen Anstalt, veranlassen. In den Fällen, in denen der Betreute nicht in der Lage oder willens ist, sich durch Flucht zu entziehen, eine freiheitsentziehende Unterbringung also nicht geboten ist, kann auch die notwendige Behandlung nicht erzwungen werden, wie die Regierung ausführt. Das Bundesverfassungsgericht habe nun entschieden, dass diese Schutzlücke mit der aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG folgenden Schutzpflicht des Staates unvereinbar ist.
Mit dem vorgeschlagenen "Gesetz zur Änderung der materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen von ärztlichen Zwangsmaßnahmen und zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts von Betreuten" soll daher die Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme von der freiheitsentziehenden Unterbringung entkoppelt werden. Im Übrigen sollen die Voraussetzungen so streng bleiben wie bisher. So soll die richterliche Genehmigung an eine stationäre Unterbringung in geeigneten Einrichtungen gebunden bleiben, eine ambulante Zwangsbehandlung also weiterhin nicht erlaubt sein. Durch einen ausdrücklichen Vorrang von Patientenverfügungen soll zudem das Selbstbestimmungsrecht von Betreuten gestärkt werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass das Gesetz drei Jahre nach Inkrafttreten evaluiert wird, u.a. im Hinblick auf die Wirksamkeit der Schutzmechanismen.
[Quelle: Bundestag]