1. Grundsätze
Die Grundsätze der psychosozialen Prozessbegleitung sind in § 2 PsychPbG geregelt. Hiernach handelt es sich um eine besondere Form der nicht rechtlichen Begleitung im Strafverfahren für besonders schutzbedürftige Verletzte vor, während und nach der Hauptverhandlung.
Die erforderlichen fachlichen Qualifikationen der psychosozialen Prozessbegleiter regelt § 3 PsychPbG, der einen Hochschulabschluss im Bereich Sozialpädagogik, Soziale Arbeit, Pädagogik, Psychologie oder eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem dieser Bereiche sowie zusätzlich den Abschluss einer von einem Bundesland anerkannten Aus- oder Weiterbildung zum psychosozialen Prozessbegleiter verlangt.
Die Einzelheiten zur Anerkennung von Personen als psychosoziale Prozessbegleiter, die auch in den anderen Bundesländern gelten, sind in den jeweiligen Ausführungsgesetzen der Länder geregelt. Diese setzen für eine Anerkennung einer Aus- und Weiterbildung i.d.R. Kenntnisse der rechtlichen Grundlagen und Grundsätze des Strafverfahrens sowie weiterer, für die Opfer von Straftaten relevanter Rechtsgebiete, der Viktimologie, Kenntnisse zu den besonderen Bedürfnissen spezieller Opfergruppen, der Psychologie und Psychotraumatologie, der Theorie und Praxis der psychosozialen Prozessbegleitung und der Methoden und Standards der Qualitätssicherung und Eigenvorsorge voraus (so § 2 Abs. 2 BWPsychPbGAG).
2. Anwesenheitsrechte/Trennungsgebot
Der Prozessbegleiter darf bei Vernehmungen und während der Hauptverhandlung gemeinsam mit dem Verletzten anwesend sein, § 406g Abs. 1 S. 2 StPO. Es ist jedoch weder seine Aufgabe noch seine Befugnis, im Sinne des Verletzten auf den Ausgang des Verfahrens Einfluss zu nehmen oder dessen Aussage besonderes Gewicht zu verschaffen. Die Stellung des psychosozialen Prozessbegleiters unterscheidet sich somit wesentlich von der des Nebenklägervertreters. Seine Tätigkeit soll, so die unmissverständliche Regelung in § 2 Abs. 2 S. 1 PsychPbG, geprägt sein von Neutralität gegenüber dem Strafverfahren und der Trennung von Beratung und Begleitung (Trennungsgebot). Die psychosoziale Prozessbegleitung umfasst weder die rechtliche Beratung noch die Aufklärung des Sachverhalts und sie darf nicht zu einer Beeinflussung des Zeugen oder einer Beeinträchtigung seiner Aussage führen. Hierüber ist der Verletzte zu Beginn der Prozessbegleitung zu informieren, § 2 Abs. 2 S. 3 PsychPbG.
Hinweis:
Aus dem Trennungsgebot folgt insbesondere, dass mit dem Verletzten nicht über den Sachverhalt gesprochen werden darf. Erfolgt dies dennoch, ist dies nach dem Willen des Gesetzgebers zu dokumentieren (BT-Drucks 18/4621, 30).
Die Einhaltung dieses Verbots ist zur Vermeidung einer Erschwerung der Wahrheitsfindung unverzichtbar. Dementsprechend haben die Gerichte darüber zu wachen, dass der Prozessbegleiter nur innerhalb des ihm vom Gesetzgeber gesteckten Rahmens tätig wird und das Gebot, die Aussage des Zeugen inhaltlich nicht zu beeinflussen, befolgt. Anhaltspunkten für eine Beeinflussung des Aussageverhaltens muss konsequent nachgegangen werden.
Die Überwachung bzw. die Einhaltung des Trennungsgebots stellt das Gericht, aber auch den psychosozialen Prozessbegleiter, freilich vor erhebliche Herausforderungen. Für die Gespräche zwischen dem Prozessbegleiter und dem Zeugen besteht keine generelle Dokumentationspflicht (nach der Gesetzesbegründung soll erst dokumentiert werden, wenn gegen das Trennungsgebot verstoßen wurde), so dass Beeinflussungen des Aussageverhaltens, seien sie bewusst oder unbewusst, oftmals nur schwer zu erkennen sein werden.
Darüber hinaus werden die Zeugen in aller Regel die (menschlich nachvollziehbare) Erwartung hegen, mit dem Prozessbegleiter über das Erlebte sprechen zu können und entsprechend enttäuscht sein, wenn ihnen dies verwehrt wird. Hier wird der Prozessbegleiter oftmals mit sehr viel Fingerspitzengefühl agieren müssen, wenn er die Grenzen seiner Möglichkeiten vermittelt. Einen Spielraum hat er jedoch unter keinen Umständen, er muss das Trennungsgebot einhalten.
Hinweis:
Bestehen Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Trennungsgebot, kommt der Prozessbegleiter als Zeuge in Betracht. Ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht nicht. Auch hierüber ist der Verletzte zu Beginn der Prozessbegleitung zu informieren, § 2 Abs. 2 S. 3 PsychPbG.
Zudem hat der Verteidiger bei Verstößen gegen das Trennungsgebot die Möglichkeit, den Ausschluss des nicht beigeordneten Prozessbegleiters von Vernehmungen des Zeugen gem. § 406g Abs. 4 StPO zu beantragen. Besteht die Gefahr einer gesetzeswidrigen Beeinflussung der Aussage des Verletzten, gefährdet dies den Untersuchungszweck. Zuständig für die Untersagung der Anwesenheit ist die, die Vernehmung leitende Person; ihre Entscheidung ist unanfechtbar.
Für beigeordnete Prozessbegleiter gilt über § 406g Abs. 3 S. 4 StPO die Regelung des § 142 Abs. 1 StPO entsprechend. Die Gefährdung des Untersuchungszwecks stellt einen wichtigen Grund im Sinne dieser Vorschrift dar (Ferber NJW 2016, 279).