Vor rund eineinhalb Jahren hatte die Bundesregierung den Bundestagsabgeordneten Auskunft zum Phänomen der "Reichsbürger" gegeben. Konkrete Angaben zum Personen- und Gefährderpotenzial konnte sie seinerzeit allerdings noch nicht machen (vgl. näher ZAP Anwaltsmagazin 16/2016, S. 832 f.). Seit November 2016 wird die Bewegung allerdings durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beobachtet, so dass die Bundesregierung dem Parlament inzwischen neue Erkenntnisse mitteilen konnte.
Wie die Regierung in einer Auskunft (s. BT-Drucks 19/539) kürzlich darlegte, hat das BfV am 22.11.2016 das Sammelbeobachtungsobjekt "Reichsbürger und Selbstverwalter" eingerichtet und bearbeitet dieses seitdem als eigenständigen Phänomenbereich.
Nach den Erkenntnissen des Amtes ist das Personenpotenzial der "Reichsbürger und Selbstverwalter" mit Stand September 2017 auf ca. 15.000 Personen zu beziffern. Davon seien etwa 900 Personen Rechtsextremisten, drei "Reichsbürger" werden als sog. Gefährder eingestuft. Überregional sind derzeit ca. 20 "Reichsbürger- und Selbstverwalter"-Gruppierungen bekannt, die über mehrere Bundesländer Aktivitäten entfalten. Zu diesen Gruppierungen wird ein Personenpotenzial in einem niedrigen vierstelligen Bereich gezählt.
Die Szene ist den Erkenntnissen zufolge männlich dominiert und durchweg als lebensälter zu beschreiben. Rund Dreiviertel der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" seien Männer. Die meisten Szeneangehörigen seien älter als 40 Jahre. Hinsichtlich des Gefahrenpotenzials der "Reichsbürger"-Bewegung wird festgestellt, dass von den für das vergangene Jahr festgestellten 771 Delikten zwölf Verstöße das Waffengesetz betrafen. Eine belastbare Aussage zu dem Gefahrenpotenzial innerhalb der "Reichsbürger"-Bewegung lasse sich, so die Auskunft der Bundesregierung, daraus jedoch nicht herleiten, da diese Zahl lediglich die polizeilich bekannt gewordenen Fälle beschreibe. Allerdings gebe es bei "Reichsbürgern und Selbstverwaltern" eine weit verbreitete Waffenaffinität. So verfügen laut einer im September 2017 durchgeführten Erhebung noch ca. 1.000 "Reichsbürger und Selbstverwalter" über eine oder mehrere waffenrechtliche Erlaubnisse. Bis zu dieser Erhebung sind allerdings weiteren rund 330 "Reichsbürgern und Selbstverwaltern" bereits die waffenrechtlichen Erlaubnisse durch die zuständigen Waffenbehörden der Länder entzogen worden.
Zu "Reichsbürgern und Selbstverwaltern" zählen Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnen und deren Rechtssystem ablehnen. Dabei berufen sie sich etwa auf das historische Deutsche Reich, auf verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder auf ein selbst definiertes Naturrecht. Sie bestreiten die Legitimation der demokratisch gewählten Repräsentanten oder definieren sich selbst als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Nach den Erkenntnissen der Regierung ist allerdings nur ein kleiner Teil der Szene dem Rechtsextremismus zuzuordnen. Mischszenen zwischen Rechtsextremisten und "Reichsbürgern" seien gering ausgeprägt, Überschneidungen zwischen Rechtsextremisten und "Selbstverwaltern" kaum feststellbar.
[Quelle: Bundesregierung]