1. Elterliche Sorge
a) Entzug des Sorgerechts
Erneut betont das BVerfG (FamRZ 2017, 1055 = FamRB 2017, 297), dass es einer strengen Prüfung und entsprechender Begründung bedarf, ob die Voraussetzungen für den Entzug der elterlichen Sorge im Einzelfall gegeben sind. Bei einem Eingriff in das Elternrecht ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die Trennung des Kindes von seinen Eltern ist nur erlaubt, wenn das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreicht, dass das Kind bei den Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre. Eine solche Gefährdung kann nur angenommen werden, wenn bei ihm bereits ein Schaden eingetreten ist oder sich eine erhebliche Gefährdung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt.
Ein Sorgerechtsentzug ist grundsätzlich entbehrlich, wenn der erziehungsberechtigte Elternteil die zur Abwendung einer dem Kind drohenden Gefahr gebotene Fremdunterbringung mitträgt und unterstützt und alle in diesem Zusammenhang notwendig werdenden Mitwirkungshandlungen vornimmt. Auch wenn der Vater erst nach Fremdunterbringung des Kindes Sorgeberechtigter geworden ist und bisher im Leben des Kindes keine Rolle gespielt hat, kann ein Sorgerechtsentzug nicht darauf gestützt werden, dass die Ausübung des Sorgerechts durch einen Vormund anstelle des Vaters vorzugswürdig ist, sondern auch in solchem Falle ist nur auf eine nachhaltige Kindeswohlgefährdung abzustellen (BVerfG 2017, 1577).
b) Übertragung des Sorgerechts
Bei einem Antrag auf Übertragung des Sorgerechts ist in einer ersten Stufe zu prüfen, ob es dem Kindeswohl entspricht, die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben, etwa wegen fehlender Kommunikationsfähigkeit der Eltern. In einer zweiten Stufe ist zu ermitteln, ob und ggf. welcher Elternteil besser geeignet ist, die alleinige Sorge auszuüben, insbesondere unter Berücksichtigung der Kontinuität, der Bindungen und des Kindeswillen (§ 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB). Im Hinblick auf diese Gesichtspunkte hat das OLG Hamm (FuR 2017, 518 m. Hinw. Faber = FamRB 2017, 298 m. Hinw. Clausius) der Mutter das alleinige Sorgerecht übertragen, obwohl es eine Einschränkung der Erziehungseignung darin gesehen hat, dass sie dem Kind streng islamische Werte vorlebte (Tragen einer Vollverschleierung, stark eingeschränkter Kontakt zu Personen anderen Geschlechts).
c) Übertragung der Entscheidungsbefugnis über eine Impfung
Nach § 1628 S. 1 BGB kann das Familiengericht, wenn sich die Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die in der Rechtsprechung umstrittene Frage, ob eine Standardimpfung lediglich der Alltagssorge unterfällt, hat der BGH (FamRZ 2017, 1057 m. Anm. Löhning/Preisler = FuR 2017, 442 m. Hinw. Soyka = NJW 2017, 2826) dahin entschieden, dass die Schutzimpfung eines Kindes auch dann eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind ist, wenn es sich um eine sog. Standard- oder Routineimpfung handelt. Bei Uneinigkeit der Eltern über die Durchführung einer solchen Impfung kann die Entscheidungsbefugnis dem Elternteil, der die Impfung des Kindes entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut befürwortet, jedenfalls dann übertragen werden, wenn bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorliegen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung und Abwägung der allgemeinen Infektions- und Impfrisiken ist hierfür nicht erforderlich.
d) Wechselmodell
Ob im Einzelfall die Anordnung eines Wechselmodells geboten sein könnte, ist unter Berücksichtigung anerkannter Kriterien des Kindeswohls zu entscheiden. Voraussetzung ist, dass die paritätische Betreuung durch beide Elternteile im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht (vgl. BGH NJW 2017, 1815). Nach Auffassung des OLG Brandenburg (NJW 2017, 3006) kann ein Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils nicht angeordnet werden, wenn die Eltern zwar eine fortdauernde Mediation zur Absprache von Umgangsterminen nutzen, sich aber über den bevorstehenden Wechsel eines Kindes auf eine weiterführende Schule nicht austauschen.
e) Auskunftsanspruch
Gemäß § 1686 BGB kann jeder Elternteil von dem anderen Elternteil bei berechtigtem Interesse Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen, soweit dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.
aa) Anspruch gegen den Ergänzungspfleger
Nach der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2017, 378 m. Anm. Fröschle = FamRB 2017, 374 m. Hinw. Clausius und FamRZ 2017, 1666 m. Anm. Löhnig = MDR 2017, 1306 = FuR 2017, 604 m. Hinw. Soyka = NJW 2017, 2828) kann § 1686 BGB mit Blick auf den Gesetzeszweck in entsprechender Anwendung einem Elternteil zur Befriedigung seines aus dem von Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG geschützten Elternrecht fließenden berechtigten Informationsinteresse auch einen Auskunftsanspruch gegenüber Anspruchsgegnern gewähren, die zwar nicht Elternteil, aber in ihrer rechtlichen oder tatsächlichen Stellung einem Elternteil vergleichbar sind. Als Aus...