1. Widerrufsrecht
Die Mieterhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete erfolgt durch eine freiwillige oder durch das Gericht ausgesprochene Vertragsänderung. Es handelt sich, wenn der Vermieter unternehmerisch tätig ist (dazu Fervers NZM 2018, 640), um einen Verbrauchervertrag, für den ansonsten die Widerrufsrechte bei Fernabsatzverträgen Anwendung finden. Seit der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie in Deutschland im Jahre 2014 war strittig, ob diese Regeln auch auf die Zustimmungserklärung des Mieters gem. § 558b BGB anzuwenden sind. Das hat der BGH nunmehr verneint. Er will auf Erklärungen im Rahmen des formalisierten Verfahrens gem. §§ 558, 558b BGB, die unter den situativen Voraussetzungen des Fernabsatzgeschäfts abgegeben werden, im Wege einer teleologischen Reduktion die Vorschriften nicht anwenden. Die Regelungen seien zwar vom Wortlaut her anwendbar, der weite Wortlaut der §§ 312 Abs. 4 S. 1, 312c BGB sei aber mit Rücksicht auf den Regelungszweck der Bestimmungen über die Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete und der Vorschriften über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen einzuschränken. Die im Vergleich zu den europarechtlichen Vorgaben überschießende Regelung in Deutschland soll vor allem vor Überrumpelung und psychischen Druck schützen. Eine Vertragsverhandlungssituation, die für den Mieter mit einem Überraschungsmoment, mit psychischem Druck oder gar mit der Gefahr der Überrumpelung verbunden ist, bestehe typischerweise nicht, wenn der Vermieter ein Mieterhöhungsverlangen nach §§ 558 ff. BGB in der gesetzlichen vorgesehenen Textform an den Mieter heranträgt.
§ 558a Abs. 1 BGB verpflichtet den Vermieter zur Verwendung eines Fernkommunikationsmittels. Das Formerfordernis des § 558a Abs. 1 BGB diene bereits dem Mieterschutz. Gemeinsam mit dem gesetzlichen Begründungserfordernis soll es gewährleisten, dass der Mieter über die anstehende Erhöhung unterrichtet wird und die dafür angeführten Erläuterungen und Berechnungen in nachvollziehbarer Weise überprüfen kann. Der Mieter kann auf diese Weise seinen rechtsgeschäftlichen Willen außerhalb einer Druck- und Überrumpelungssituation bilden. Die Begründung soll dem Mieter die Möglichkeit geben, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zumindest ansatzweise zu überprüfen. Zur Entscheidung, ob der Mieter den Antrag des Vermieters auf Vertragsänderung annehmen soll, räumt das Gesetz dem Mieter damit eine Überlegungsfrist ein, die vertraglich nicht verkürzt werden darf, um ihn vor Entscheidungen unter Zeitdruck zu schützen und ihm die Möglichkeit zu eröffnen, sich über die Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens des Vermieters anhand der von diesem gegebenen Begründung klar zu werden.
Auch die für die Einführung eines Widerrufsrechts sprechenden sonstigen Gründe liegen hier nicht vor. Dort kennt der Kunde regelmäßig die Ware und auch seinen Vertragspartner nicht. Das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz soll daher das typischerweise bestehende und u.U. zu Fehlentscheidungen führende Informationsdefizit des Verbrauchers ausgleichen. Für den Ausgleich des Informationsdefizits des Mieters und den Schutz seiner Entschließungsfreiheit ist jedoch durch das in § 558a Abs. 1, 2 BGB vorgesehene Begründungserfordernis und die eingeräumte Zustimmungsfrist (§ 558b Abs. 2 BGB) gesorgt (BGH WuM 2018, 765 = GE 2018, 1521 = NZM 2018, 1011 = MDR 2019, 22 = NJW 2019, 303 = ZMR 2019, 114 = MietPrax-AK § 312 BGB Nr. 2 m. Anm. Börstinghaus; Menke LMK 2018, 412415; Börstinghaus NZM 2018, 1015; Börstinghaus jurisPR-BGHZivilR 1/2019 Anm. 1; Monschau MietRB 2019, 4; Fervers NJW 2019, 308; Drasdo NJW-Spezial 2019, 65).
Hinweis:
Das bedeutet nicht, dass im Mieterhöhungsverfahren nie ein Widerrufsrecht besteht. Ein Widerrufsrecht besteht, wenn
- der unternehmerisch tätige Vermieter dem Mieter ein Zustimmungsverlangen zuschickt, ihn dann aber außerhalb seiner Geschäftsräume zur Zustimmung hierzu veranlasst, z.B. bei einem Hausbesuch;
- der unternehmerisch tätige Vermieter dem Mieter ein Angebot auf Änderung des Mietvertrags ggf. mit einer Mieterhöhung, einer Staffelmietvereinbarung oder einer Änderung bei den Schönheitsreparaturen oder den Betriebskosten unterbreitet und der Mieter dieses Angebot unter Verwendung eines Fernkommunikationsmittels annimmt.
2. Vorprozessuales Sachverständigengutachten
Das Mieterhöhungsverfahren ist ein zweistufiges Verfahren. Das vorprozessuale Verfahren ist zugleich besondere Sachentscheidungsvoraussetzung für das Klageverfahren. Da bedeutet, dass formelle Fehler im vorprozessualen Zustimmungsverfahren dazu führen, dass die Zustimmungsklage als unzulässig abzuweisen ist.
Das Zustimmungsverlangen des Vermieters ist gem. § 558a BGB zu begründen. Eines der aufgezählten Begründungsmittel ist das vorprozessuale Sachverständigengutachten. Im Falle der Beifügung eines Sachverständigengutachtens ist der Pflicht des Vermieters zur Begründung seines Mieterhöhungsverlangens grundsätzlich Genüge getan, wenn das Gutachten Angaben über Tatsachen enthält, aus...