Die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 19/18110, S. 36) ging davon aus, dass Mieter „nach allgemeinen Grundsätzen zur Leistung verpflichtet bleiben und ggf. auch in Verzug geraten können.” Schnell wurde diskutiert, ob die Miete nach den angesprochenen „allgemeinen Grundsätzen” entweder gem. § 536 BGB gemindert war oder der Mieter nach den Grundsätzen des Fehlens der Geschäftsgrundlage berechtigt war, die Herabsetzung zu verlangen.
a) Mietminderung
Öffentlich-rechtliche Nutzungs- und Betriebsverbote können nach der Rechtsprechung einen Sachmangel darstellen (BGHZ 68, 294, 296). Voraussetzung hierfür ist, dass sie ihre Ursache in der Beschaffenheit oder Lage des Mietobjekts haben. Was zum allgemeinen Lebensrisiko gehört, ist kein Mangel. Die verfügten Nutzungs- und Betriebsbeschränkungen beruhten aber nicht auf dem baulichen Zustand der Mietsache. Es wurden keinerlei Grenzwerte überschritten. Es ging und geht unabhängig vom konkreten Betrieb darum, Menschenansammlungen zu unterbinden, um das Infektionsrisiko zu verringern und das Ansteigen der Infektionszahlen zu verlangsamen, um das Gesundheitssystem funktionstüchtig zu halten. Das hat alles mit der Mietsache nichts zu tun. Deshalb liegt nach herrschender Meinung kein Mangel der Mietsache vor (LG Frankfurt/M. GE 2020, 1495; LG Heidelberg GE 2020, 1184; LG Mönchengladbach, Urt. v. 2.11.2020 – 12 O 154/20; AG Oberhausen, Urt. v. 6.10.2020 – 37 C 863/20; LG Wiesbaden, Urt. v. 5.11.2020 – 9 O 852/20; Walburg GE 2020, 423,424; offengelassen von OLG Nürnberg GE 2020, 1625).
b) Wegfall der Geschäftsgrundlage
Erfolgreicher kann es für den Mieter ggf. sein, eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des Fehlens der Geschäftsgrundlage zu verlangen. Die gewährleistungsrechtliche Risikoverteilung nach Sphären stößt im Fall der COVID-19-Pandemie an ihre Grenzen (Walburg GE 2020, 423, 424). Passender ist da eine Vertragsanpassung gem. § 313 BGB. Danach kann eine Anpassung des Vertrages verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, soweit einem Teil unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, insb. der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. In der augenblicklichen Situation treffen die ursprünglichen Annahmen der Mietvertragsparteien, die sie dem Vertragsschluss zugrundgelegt haben, nicht mehr zu, sie „stimmen mit der Realität nicht mehr überein” (BeckOGK/Martens, 1.12.2019, § 313 BGB Rn 18). Die Pandemie hat im Tatsächlichen große Auswirkungen auf die Durchführung von Verträgen und war auch nicht vorhersehbar (Weller/Lieberknecht/Habrich NJW 2020, 1017, 1021). Die Fälle sind aber vielgestaltig (Streyl NZM 2020, 817). Deshalb betreffen die bisherigen Urteile jeweils Einzelfälle. Die Auswirkungen waren jeweils sehr unterschiedlich, sowohl was die Beschränkungen an sich aber auch was staatliche Ersatz- und Unterstützungsleistungen, wie z.B. Kurzarbeitergeld, Alternativangebote oder sonstige staatliche Zahlungen, angeht. Generell abgelehnt haben eine Anwendung des § 313 BGB das AG Düsseldorf (Urt. v. 10.11.2020 – 45 C 245/20) und das AG Köln (Urt. v. 4.11.2020 – 206 C 76/20). Andere Gerichte haben zwar die Anwendung des Rechtsinstituts grds. bejaht, aber die Messlatte sehr hoch gelegt. Die staatlich verordnete Schließung der Verkaufsstätten des Einzelhandels im Zuge der Corona-Epidemie könne erst dann zu einem Anspruch auf Anpassung des Vertrags unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB führen, wenn es aufgrund dessen für den Gewerberaummieter zu existentiell bedeutsamen Folgen kommt (LG Frankfurt/M. GE 2020, 1495; LG Wiesbaden, Urt. v. 5.11.2020 – 9 O 852/20). Zumindest für die ersten beiden Monate der infolge der COVID-19-Pandemie bedingten Schließung von Gewerberäumen ist eine Mietanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht vorzunehmen (OLG Zweibrücken ZInsO 2020, 2609 = BB 2020, 2450). Demgegenüber hat das LG Mönchengladbach (Urt. v. 2.11.2020 – 12 O 154/20) eine Halbierung der Miete für angemessen erachtet (Leo/Götz NZM 2020, 402, 406: „keine falsche Lösung”; so auch Selk GE 2020, 585, 590; Sittner NJW 2020, 1169, 1172; Weidt/Schiewek NJOZ 2020, 481, 484, noch weitergehend: Ekkenga/Schirrmacher NZM 2020, 410, 415).