Der BGH befasste sich schwerpunktmäßig mit der Auslegung der AGB-Klausel (Kostenpauschale) unter besonderer Berücksichtigung von „Gesamtklauselwerken”, dem Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung, den sich aus § 309 Nr. 5a BGB ergebenden rechtlichen Anforderungen an eine Kostenpauschale sowie der Frage der Transparenz einer Berechnung der Pauschale.
1. „Gesamtklauselwerk”
Da die Beklagte ihre Regelungen zur Kostenpauschale auf verschiedene Dokumente (Preisblatt und Allgemeine bzw. Ergänzende Vertragsbedingungen) verteilt hatte, ging der BGH diesbezüglich auf die Auslegungsgrundsätze ein. Das Berufungsgericht hatte angenommen, die Allgemeinen bzw. Ergänzenden Vertragsbedingungen könnten im Wege der Auslegung des Preisblattes herangezogen werden. Der BGH (Rn 36) war der Auffassung, dass dies gegen die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze verstößt. Danach gilt, dass eine AGB nur „mit inhaltlich in einer Einheit verbundenen Formularbestimmungen auszulegen ist”. Die isolierte Auslegung hingegen ist geboten für „Bestimmungen, die in gesonderten Urkunden niedergelegt sind und auf die die beanstandete Formularklausel nicht Bezug nimmt”. So verhielt es sich im konkreten Fall. Der BGH sah für den durchschnittlichen und rechtlich nicht vorgebildeten Kunden keinen Anlass, die im Preisblatt enthaltene Formulierung „Zahlungseinziehung durch einen Beauftragten” weiter zu hinterfragen und – ohne formalen Bezug zu den Allgemeinen bzw. Ergänzenden Vertragsbedingungen – die anderen Klauselwerke zu „durchforsten”, ob die Formulierung ggf. anders zu deuten ist (Rn 37). Da Preisblatt und Allgemeine bzw. Ergänzende Vertragsbedingungen nicht durch Bezugnahmen miteinander verbunden waren, zog der BGH nur das Preisblatt für die Beurteilung und Auslegung heran. Soweit sich aus den Allgemeinen bzw. Ergänzenden Vertragsbedingungen ergab, dass eine Begrenzung auf die Tätigkeit des externen Dienstleisters bezweckt war, spielte das für die isolierte Beurteilung des Preisblattes also keine Rolle (Rn 33, 36).
2. Auslegung des Preisblatts
Isoliert betrachtet, ergab die Auslegung des Preisblattes, dass mit „Zahlungseinziehung durch einen Beauftragten” alle möglichen Beauftragten, nicht nur der beim Kunden erscheinende externen Dienstleister, sondern z.B. auch die SWM Kundenservice GmbH und die SWM Services GmbH, gemeint sind (Rn 31). Ferner legte der BGH den Klauseltatbestand so aus, dass damit nach den Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders (Rn 26) sämtliche Forderungseinziehungsmaßnahmen, die von der Beklagten unmittelbar oder mittelbar veranlasst wurden, insb. auch die „bloße Versendung weiterer Zahlungsaufforderungen gehört” (Rn 25).
Interessant ist, dass der BGH bei der am Wortlaut orientierten Auslegungsmethode den Klauseltatbestand „Zahlungseinziehung” unter Bezugnahme auf den Duden mit „Inkasso” gleichgesetzt hat (Rn 32). Die Begriffe „Inkasso” und „Inkassodienstleistung” werden die Rechtsprechung in anderem Zusammenhang sicherlich noch weiter beschäftigen, da sie auch im RDG eine Rolle spielen. Zieht man die Legaldefinition für „Inkassodienstleistung” (§ 2 Abs. 2 S. 1 RDG) heran, dann ist „Inkasso” jede „Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen”. Eine „Inkassodienstleistung” liegt danach vor, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird.
Hinweis:
Angesichts der geplanten Änderungen des RVG, z.B. Unterschreitung der gesetzlichen Vergütung und Erfolgshonorar bei Inkassodienstleistungen (Art. 2 Nr. 3 und des GesE der Bundesregierung zu einem Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt), darf mit Spannung erwartet werden, ob bei der Auslegung dieser Normen auch künftig jeder Forderungseinzug „Inkasso” ist oder ob es hier zu zwei verschiedenen Interpretationen (Mengeninkasso/individueller Forderungseinzug) kommen wird.
Ferner ging der BGH auch noch auf den Eventualfall ein, dass eine Klausel mehrdeutig sein kann und damit die sich zu Lasten des Verwenders auswirkende Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB anzuwenden ist. Im vorliegenden Fall würde – wenn es eine andere Deutung gäbe, die der BGH aber offenbar nicht sah – dann gelten, dass die kundenfeindlichste Auslegungsvariante zugrunde zu legen ist, die sich im Ergebnis dann als die dem Kunden günstigste Variante darstellt (Rn 28 unter Hinweis auf die Senatsrechtsprechung). Der BGH ging offenbar nebenbei auf diesen Punkt ein, weil das Berufungsgericht den Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung unzutreffender Weise in sein Gegenteil verkehrt hatte (Rn 39). Das OLG München hatte – bei ohnehin fälschlicher „Klammerung” der Klauselwerke (s. vorstehend IV. 1.) – dann die dem Verwender günstigste Auslegungsvariante gewählt. Selbst wenn man – wie das Berufungsgericht es gemacht hat – die Allgemeinen bzw. Ergänzenden Vertragsbedingungen heranziehen würde, in denen von einer erneuten Zahlungsaufforderung der Beklagten die Rede ist, würde das – bei kunden...