a) Grundsatz
Der BGH hat darauf hingewiesen, dass bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch auch die Erstattung von Anwaltskosten umfasst, zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu unterscheiden ist. Voraussetzung für einen (materiell-rechtlichen) Kostenerstattungsanspruch sei grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war.
b) Anfall der Geschäftsgebühr
Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit gem. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, ist – so der BGH – eine Frage des Innenverhältnisses. Entscheidend sind dabei Art und Umfang des im Einzelfall erteilten Mandates.
aa) Unbedingter Prozessauftrag
Wenn der Mandant seinem Rechtsanwalt den unbedingten Auftrag erteilt, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden (siehe Vorbem. 3 Abs. 1 S. 1 VV RVG), lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus. Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsanwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Das hat zur Folge, dass eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG nicht entstehen kann und die entsprechenden vorprozessualen Tätigkeiten des Rechtsanwalts die Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG auslöst, die später u.a. durch das Einreichen der Klageschrift (s. Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG) erneut entsteht.
bb) Bedingter Prozessauftrag
Anders liegt der Fall, wenn sich der Auftrag des Mandanten nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts beschränkt. Gleiches gilt, wenn der Mandant den Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt hat, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. In einem solchen Fall eines lediglich aufschiebend bedingten für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilten Prozessauftrags, kann durch vorgerichtliche Tätigkeiten des Anwalts eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG durchaus anfallen (BGH, Urt. v. 22.6.2021 – VI ZR 353/20, zfs 2021, 522 mit Anm. Hansens, AGS 2022, 16 [Hansens], JurBüro 2021, 478; BGH, Urt. 15.8.2019 – III ZR 205/17, RVGreport 2019, 453 [Hansens], zfs 2019, 702; BGH, Urt. v. 19.5.2020 – KZRâEUR™70/17, NZKart 2020, 535; Hansens zfs 2019, 703 ff.).
c) Die Umstände im Fall des BGH
Der BGH hat in seinem Urt. v. 22.6.2021 (a.a.O.) die Auffassung des Berufungsgerichts geteilt, der Kläger habe nicht schlüssig dargetan, seinen Prozessbevollmächtigten zunächst lediglich mit seiner außergerichtlichen Vertretung beauftragt oder ihm einen nur bedingten Prozessauftrag erteilt zu haben. Aus dem außergerichtlichen Aufforderungsschreiben des Rechtsanwalts des Klägers vom 13.11.2018, wonach Klage erhoben werde, falls innerhalb gesetzter Frist keine Zahlung oder kein angemessenes Vergleichsangebot eingehe, lasse sich kein Indiz dafür entnehmen, der Kläger habe zunächst nur ein Mandat zur außergerichtlichen Vertretung oder nur einen bedingten Prozessauftrag erteilt. Die nach außen hin erkennbare Tätigkeit eines Rechtsanwalts lasse, auch wenn sie mit einer Klageandrohung verbunden ist, nicht ohne Weiteres darauf schließen, ob der Rechtsanwalt diese Tätigkeit im Rahmen eines ihm bereits erteilten – unbedingten – Klageauftrags ausgeübt hat oder ob dem Anwalt im maßgeblichen Innenverhältnis bisher tatsächlich lediglich ein Vertretungsauftrag erteilt worden ist.
Abschließend hat der BGH darauf hingewiesen, dass eine verbleibende Unsicherheit zulasten des Klägers geht, der darzulegen und im Streitfall zu beweisen habe, dass er seinem Anwalt einen Auftrag zur vorgerichtlichen Vertretung erteilt habe.