I. Einleitung
Es ist seit Jahren gängige Berechnungsweise bei der Bemessung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit eines zum Ehegattenunterhalt verpflichteten Ehegatten, der gleichzeitig Unterhalt für ein beim anderen Ehegatten lebendes gemeinsames Kind erbringt, bei der Berechnung des von ihm geschuldeten Ehegattenunterhalt den von ihm für das minderjährige Kind geleisteten Barunterhaltsbetrag mit dem Zahlbetrag (BGH, Beschl. v. 11.11.2015 – XII ZB 7/15, FamRZ 2016, 199 m.w.N.), der sich aus der jeweils für den fraglichen Zeitraum geltenden Düsseldorfer Tabelle ergibt, vorab von seinem bereinigten Einkommen abzuziehen. Dieser Berechnungsansatz folgt aus der gesetzlichen Vorgabe des § 1609 BGB, nach dem das minderjährige Kind im Rang dem unterhaltsberechtigten Ehegatten vorgeht. Auf der Ebene der Leistungsfähigkeit muss also der Anspruch des minderjährigen Kindes zuerst erfüllt werden.
Außerdem muss der Selbstbehalt des pflichtigen Ehegatten gewahrt werden, bevor der Ehegattenunterhalt gezahlt werden kann.
An dieser Stelle sei der Hinweis erlaubt, dass die in der Düsseldorfer Tabelle (s. aktuelle Düsseldorfer Tabelle – Stand: 1.1.2022, ZAP 2022, S. 83 ff.) festgelegten Selbstbehaltssätze – wie alle Angaben der Tabelle – keine Gesetzeskraft haben, sondern lediglich eine Richtlinie darstellen. Aus den obigen Ausführungen zur Berechnung des Kindesunterhaltes nach der neueren Rechtsprechung des BGH stellt sich dann auf der Gegenseite beim unterhaltsberechtigten Ehegatten, der ein Kind betreut, die Frage, ob auch auf dessen Seite entsprechende Auswirkungen bei der Berechnung des Ehegattenunterhaltes einzubeziehen sind. Hier gibt der BGH jetzt einen für die anwaltliche Beratungspraxis sehr relevanten neuen Berechnungsweg vor.
II. Kein Abzug eines Betreuungsbonus
In der Literatur hat man in diesem Zusammenhang verlangt, dem betreuenden Elternteil einen Betreuungsbonus zuzubilligen, der pauschal festgesetzt werden sollte. Dieser Lösungsansatz ist jedoch nicht auf die Zustimmung des BGH gestoßen, der einen Betreuungsbonus und die damit verbundene Monetarisierung des dem Kind nach § 1606 BGB von diesem Elternteil geschuldeten Betreuungsunterhalts abgelehnt hat (BGH, Beschl. v. 15.2.2017 – XII ZB 201/16, FamRZ 2017, 711 m. krit. Anm. Graba; BGH, Beschl. v. 11. 11 2015 – XII ZB 7/15, FamRZ 2016, 199, BGH, Urt. v. 21.4.2010 – XII ZR 134/08, FamRZ 2010, 1050, BGH, Beschl. v. 7.11.2012 – XII ZB 229/11, FamRZ 2013, 109 Rn 29; BGH, Urt. v. 30.8.2006 – XII ZR 138/04, FamRZ 2006, 1597, 1599). Wenn die Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils mit einer Kinderbetreuung zusammenfällt, ist diesem demnach kein pauschaler – einheitlicher – Betreuungsbonus zuzubilligen.
Lediglich in Ausnahmefällen hat die Rechtsprechung dem unterhaltsberechtigten Ehegatten erlaubt, bei der Festsetzung seines für die Berechnung maßgeblichen unterhaltsrelevanten Einkommens Abzüge vorzunehmen. Dabei kommt es entscheidend auf die – im Streitfall vorzutragenden – speziellen Umständen des Einzelfalls an, inwieweit das vom betreuenden Elternteil neben der Kinderbetreuung erzielte Einkommen nach Treu und Glauben unter Beachtung der konkret darzulegenden Umstände des Einzelfalls ganz oder teilweise als überobligatorisch eingestuft wird und damit bei der Unterhaltsfestsetzung ganz oder teilweise nicht angerechnet wird (BGH, Beschl. v. 11.11.2015 – XII ZB 7/15, FamRZ 2016, 199 Rn 17; BGH, Beschl. v. 15.2.2017 – XII ZB 201/16, FamRZ 2017, 711; BGH, Beschl. v. 7.11.2012 – XII ZB 229/11, FamRZ 2013, 109; BGH, Urt. v. 15.9.2010 – XII ZR 20/09, FamRZ 2010, 1880 Rn 38 und Urt. v. 21.4.2010 – XII ZR 134/08, FamRZ 2010, 1050 Rn 37; BGH, Beschl. v. 1.10.2014 – XII ZB 185/13, FamRZ 2014, 1987 Rn 19 f. m.w.N. und zum Kindesunterhalt BGHZ 162, 384 = FamRZ 2005, 1154, 1156 f.).
Dabei darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass in Bezug auf die Betreuung eines oder mehrerer gemeinsamer Kinder die Frage der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit grds. beim Unterhaltsberechtigten und beim Unterhaltspflichtigen nach denselben Erwägungen zu bestimmen sind (Staudinger/Voppel, 2018, BGB § 1361, Rn 63 m.w.N.).
III. Abzug konkreter Betreuungskosten
Eine andere Sachlage ist jedoch gegeben, wenn konkret aufgewandte Kosten für die Kinderbetreuung anfallen. Die Rechtsprechung lässt es dann zu, solche konkret aufgewandten – und im Streitfall nachgewiesenen – notwendigen Kosten für die Kinderbetreuung unterhaltsrechtlich in Ansatz zu bringen. Dabei unterscheidet der BGH zwischen den Kindergartenkosten, die als Bedarf des Kindes eingestuft werden (BGH, Urt. v. 5.3.2008 – XII ZR 150/05, FamRZ 2008, 1152 m. Anm. Born = NJW 2008, 2337 m. Anm. Ehinger), während die anfallenden Mehrkosten für die notwendige Betreuung des Kindes während der berufsbedingten Abwesenheit des betreuenden Elternteils etwa für eine Tagesmutter oder Pflegepersonal als dessen berufsbedingte Aufwendungen eingestuft werden (BGH, Beschl. v. 4.10.2017 – XII ZB 55/17, FamRZ 2018, 23; BGH, Urt. v. 14.3.2007 – XII ZR 158/04, FamRZ 2007, 882; BGH, Urt. v. 5.3.2008, XII ZR 150/05, FamRZ 2008, 1152). Nich...