Allerdings gilt für das Beweisantragsrecht:

Zitat

"Ermittelt der Richter das Verständnis des Verkehrs ohne sachverständige Hilfe, dann tut er dies nicht, weil die Verkehrsauffassung offenkundig wäre und deswegen keines Beweises bedürfte, sondern weil er davon ausgeht, aufgrund eigenen Erfahrungswissens selbst über die erforderliche Sachkunde zu verfügen. Ob diese Beurteilung zutrifft, bestimmt sich grundsätzlich nach den Regeln, die auch sonst bei Beantwortung der Frage gelten, ob ein Gericht auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichten und stattdessen aufgrund eigener Sachkunde entscheiden kann (...). Hat das Berufungsgericht das Verständnis des Verkehrs ohne Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe beurteilt, obwohl es selbst nicht hinreichend sachkundig ist, oder hat es eine mögliche, aber keineswegs selbstverständliche eigene Sachkunde nicht dargelegt, handelt es sich um einen Verfahrensfehler nach § 286 ZPO, der im Revisionsverfahren uneingeschränkt gerügt werden kann (...). Gehören die entscheidenden Richter selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen, bedarf es im Allgemeinen keines durch eine Meinungsumfrage untermauerten Sachverständigengutachtens, um das Verständnis des Verkehrs zu ermitteln." (BGH, Urt. v. 2.10.2003 – I ZR 150/01, NJW 2004, 1163 f.)

Das bedeutet, dass entsprechende Beweisanträge zur Ermittlung der Verkehrsauffassung meist abgelehnt werden. Die Beweisanträge sollten aber dennoch gesellt werden, denn paradoxerweise kann gerade in der Ablehnung eines Beweisantrags eine Chance zur Festschreibung eines gewünschten Beweisergebnisses liegen, nämlich dann, wenn die eigene These durch eine vorgerichtliche Befragung ermittelt worden ist und das entsprechende Ergebnis zwar nicht als Sachverständigengutachten, wohl aber als Parteigutachten, in den Prozess eingeführt worden ist. Dann nämlich ist es für das Gericht umso schwieriger, von dem so eingeführten Ergebnis abzuweichen. Selbst wenn es daraufhin zu einer gerichtlichen Beweiserhebung kommt, tritt der psychologisch robuste Ankereffekt ein, der weder durch Aufklärung, noch durch besonders starke Motivation korrigierbar ist (vgl. Englich, Urteilseinflüsse vor Gericht, in: Handbuch der Rechtspsychologie, S. 492 m.w.N.). Dadurch erfolgt für alle nachfolgenden Beurteiler, auch für den dann eingeschalteten gerichtlichen Sachverständigen eine Wahrnehmungsverzerrung in Richtung der Erstinformation.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?