1. Auswirkungen von Flächenabweichungen auf Mieterhöhungen
Flächenabweichungen zwischen der vereinbarten und der tatsächlichen Fläche spielen in der Praxis an verschiedenen Stellen eine Rolle. Überwiegend geht es um gewährleistungsrechtliche Fragen. Der VIII. Senat hat aber bekanntlich in der Vergangenheit seine dort entwicklete 10 %-Rechtsprechung zu der Frage, wann eine Gebrauchsbeeinträchtigung bei einer Abweichung der tatsächlichen Fläche von der vereinbarten Fläche vorliegt auch auf Mieterhöhungen (BGH WuM 2007, 450 = NZM 2007, 594 = NJW 2007, 2626; BGH WuM 2009, 460 = NJW 2009, 2739 = NZM 2009, 613) und Betriebskostenabrechnungen (BGH WuM 2007, 700 = GE 2007, 1686 = NJW 2008, 142 = NZM 2008, 35 = MietPrax-AK § 556 BGB Nr. 26) übertragen. Das passte bekanntlich nicht und wurde stark kritisiert (Beyer NJW 2010, 1025; ders. NZM 2010, 417; ders. WuM 2010, 614; Börstinghaus WuM 2009, 461; ders. GE 2009, 1201; ders. LMK 9/2009 Anm. 1; ders., Flächenabweichungen in der Wohnraummiete; Bub, PiG Bd. 88 [2010], 45; Derleder WuM 2010, 202; Heix WuM 2009, 706, 709).
Jetzt hat der VIII. Senat (BGH NZM 2016, 42 = WuM 2016, 34 = GE 2016, 49 = NJW 2016, 239, MDR 2016, 76 = DWW 2016, 29 = MietPrax-AK § 558 BGB Nr. 36 m. Anm. Börstinghaus; ders. jurisPR-BGHZivilR 2/2016 Anm 1; Beyer jurisPR-MietR 1/2016 Anm. 1; Beuermann GE 2016, 30; Börstinghaus LMK 2016, 375498; Kunze MietRB 2016, 29) diese Rechtsprechung korrigiert und entsprechend der daran geäußerten Kritik entschieden, dass im Mieterhöhungsverfahren immer die tatsächliche Größe maßgeblich ist. Haben die Parteien im Mietvertrag eine kleinere als die tatsächliche Fläche vereinbart, so liegt darin keine konkludente Ausschlussvereinbarung i.S.d. § 557 Abs. 3 Hs. 2 BGB. Der Vermieter darf dem Erhöhungsverlangen die tatsächliche Wohnfläche zugrunde legen. Es gilt aber die Kappungsgrenze von 20 % oder 15 %. Diese ist nach der Wohnungsmiete für die ganze Wohnung von vor drei Jahren und nicht nach der Qudratmetermiete zu berechnen. Eine zusätzliche Mieterhöhung nach den Grundsätzen des Fehlens der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB ist nicht möglich.
Hinweis:
Anders als noch in der Presseerklärung des BGH zu dieser Entscheidung angegeben, hat der Senat im Urteil selbst keine Ausführungen zum umgedrehten Fall, also der Vereinbarung einer größeren als der tatsächlichen Fläche gemacht. Aus der ganzen Argumentation des Senats ergibt sich aber eindeutig, dass auch hier nur die tatsächliche Fläche maßgeblich sein soll. Der BGH hat deutlich auf die Tatsache hingewiesen, dass nur objektive Kriterien herangezogen werden dürfen. Der Mieter muss keine Miete für nicht vorhandene Flächen zahlen.
Keine Angaben enthält die Entscheidung zur richtigen Ermittlung der Wohnfläche. Bekanntlich gibt es keine bindenden Berechnungsvorschriften für den preisfreien Wohnungsbau. Nach der Rechtsprechung des BGH (WuM 2009, 344 = GE 2009, 773 = NZM 2009, 477 = NJW 2009, 2295 = MDR 2009, 860 = MietPrax-AK § 536 BGB Nr. 23) hat zumindest im Gewährleistungsrecht hier eine dreistufige Prüfung stattzufinden:
- Maßgeblich sind zunächst ausdrückliche oder konkludente Vereinbarungen der Vertragsparteien über das anzuwendende Regelwerk.
- Wenn hierzu keine Feststellungen getroffen werden können, ist eine eventuelle Ortssitte maßgeblich.
- Erst wenn auch diese nicht ermittelt werden kann, ist auch im preisfreien Wohnungsbau die Fläche nach den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Vorschriften für den preisgebundenen Wohnungsbau zu ermitteln.
Ob das auch im Miethöherecht gelten kann, ist fraglich, da damit ja doch wieder ein subjektiver Faktor in die Flächenermittlung hereinspielen würde. Da es um eine Vergleichsbetrachtung geht, müssen die Werte auch nach gleichen Berechnungsvorschriften erhoben werden. Es ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber bei den anstehenden Mietrechtsänderungen hier eine Regelung treffen wird.
Hinweis:
Die Entscheidung ist explizit zu einer Mieterhöhung gem. § 558 BGB ergangen. Aber auch bei Modernisierungsmieterhöhungen und bei Betriebskostenabrechnungen sind ab jetzt ausschließlich die tatsächlichen Flächen maßgeblich.
2. Zivilgerichtliche Kontrolle von Kappungsgrenzenverordnungen
Durch das Mietrechtsänderungsgesetz 2013 hat der Gesetzgeber den Ländern die Möglichkeit eingeräumt, für bestimmte Gemeinden die Kappungsgrenze von 20 % auf 15 % abzusenken. Dazu muss die Gemeinde in eine entsprechende Landesverordnung aufgenommen werden. Das ist an die Voraussetzung gebunden, dass in der Gemeinde ein angespannter Wohnungsmarkt herrscht. Die Länder haben von dieser Möglichkeit äußerst extensiv Gebrauch gemacht (jeweils aktuelle Liste der Gemeinden unter www.mietgerichtstag.de ). Deshalb stellt sich die Frage, wer für die Kontrolle dieser Verordnungen zuständig ist, die Verwaltungsgerichte oder die Zivilgerichte. Der BGH hat sich in einem außergewöhnlich umfangreichen Urteil von 60 Seiten mit dieser Frage an Hand der Berliner Verordnung beschäftigt. Danach haben die Zivilgerichte im Rahmen eines Rechtsstreits über ein Mieterhöhungsverlangen zu prüfen, ob eine von der Landesregierung erlassene Kappungsgrenzenverordnung...