a) In Rechtsprechung und Literatur umstritten
Wie sich der Gegenstandswert für den im Rahmen der Zwangsvollstreckung tätigen Rechtsanwalt berechnet, wenn sich die Pfändung bei der Drittschuldnerin im Nachhinein als wertlos herausgestellt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten:
- Nach einer Auffassung berechnen sich die Gebühren des Rechtsanwalts nur nach dem gesetzlichen Mindestwert von 500 EUR (§ 13 Abs. 1 S. 1 RVG). Dies führt dazu, dass dem im Rahmen der Zwangsvollstreckung tätigen Rechtsanwalt die nach Nr. 3309 VV RVG nur anfallende 0,3 Verfahrensgebühr zumindest in Höhe der Mindestgebühr des § 13 Abs. 2 RVG von 15 EUR zusteht (OLG Köln Rpfleger 2001, 149 zu § 11 Abs. 2 BRAGO; OLG Brandenburg RVGreport 2016, 470 [Hansens]; LG Stuttgart AGS 2013, 475 = JurBüro 2013, 607; LG Hamburg ZMR 2009, 697; AG Hamburg-Altona AGS 2007, 100 mit Anm. Mock; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., § 25 Rn 17; Schneider/Herget/Noethen, Streitwertkommentar, 14. Aufl., Rn 4446; Göttlich/Mümmler/Frankenberg, RVG, 6. Aufl., S. 1282; Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., § 25 Rn 11; Riedel/Sußbauer/Potthoff, RVG, 10. Aufl., § 25 Rn 12; AnwK-RVG/Volpert, 8. Aufl., § 25 Rn 44).
- Eine zweite Auffassung stellt bei einer wertlosen Forderung auf den Wert der zu vollstreckenden Forderung ab (OLG Karlsruhe RVGreport 2011, 73 [Hansens] = AGS 2010, 539; LG Hamburg AnwBl. 2006, 499; LG Koblenz RVG-Berater 2005, 135 mit Anm. Goebel und Mock; LG Düsseldorf RVGreport 2005, 358 [Volpert] = AGS 2006, 86 mit Anm. Mock; LG Kiel JurBüro 1991, 1198 mit Anm. Mümmler; Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl., Teil 18 Rn 65 ff.).
- Nach einer dritten Auffassung ist darauf abzustellen, von welchem Wert der Gläubiger oder sein Rechtsanwalt subjektiv ausgehen konnte (OLG Naumburg RVGreport 2014, 441 [Hansens] = AGS 2014, 516; Hartung/Römermann, RVG, 2. Aufl., § 25 Rn 9 bis 15). Dieser Wert sei mangels anderweitiger Grundlagen durch anwaltliche Schätzung zu ermitteln.
b) Bewertung
Die letztgenannte Auffassung ist zumindest unpraktikabel, weil die subjektiven Vorstellungen des Gläubigers einerseits und seines Verfahrensbevollmächtigten andererseits unterschiedlich sein können. Die subjektiven Vorstellungen des Gläubigers können zudem von dem Gedanken beeinflusst sein, seinem Rechtsanwalt eine möglichst geringe Vergütung zahlen zu müssen, während die Vorstellungen des Anwalts eher in die Gegenrichtung gehen. Außerdem können solche subjektiven Vorstellungen kaum mit einem bestimmten Betrag bewertet werden. Aber auch die wohl h.A., die lediglich den Mindestwert annimmt, überzeugt nicht.
aa) Gesetzeswortlaut
Bereits der Wortlaut des § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG spricht eigentlich gegen diese Auffassung. Die Vorschrift unterscheidet zwischen "dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung" im 1. Halbsatz einerseits und der Pfändung eines "bestimmten Gegenstandes" im 2. Halbsatz andererseits. Die Regelung, nach der der geringere Wert maßgebend ist, bezieht sich ausdrücklich nur auf die zweite Fallgestaltung, nach der "ein bestimmter Gegenstand gepfändet" werden soll. Demgegenüber findet sich bei der im 1. Halbsatz geregelten Vollstreckung einer Geldforderung eine derartige Einschränkung nicht. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diese unterschiedliche Bewertung mit Absicht vorgenommen hat. Jedenfalls hat er auch den seit über 20 Jahren bestehenden Streit nicht zum Anlass genommen, die Bestimmung des § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG zu ändern.
bb) Zum Anfall der Verfahrensgebühr
Diejenige Auffassung, die dem Rechtsanwalt lediglich die Mindestgebühr oder die nach dem Mindestwert zu berechnende Gebühr zubilligen will, steht mit den Grundsätzen des anwaltlichen Vergütungsrechts nicht in Übereinstimmung. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG entsteht – wie jede Verfahrensgebühr – nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Somit fällt die Verfahrensgebühr beim Gläubiger-Vertreter mit der Entgegennahme der entsprechenden Information und ferner mit dem Einreichen des Antrags auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an. Dabei ist – wie eindeutig aus § 25 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 RVG folgt – der Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung als Gegenstandswert anzusetzen. Erweist sich später, dass die zu pfändende Geldforderung einen geringeren Wert hat oder sogar überhaupt nicht besteht, kann dies nicht zu einer Ermäßigung des Gegenstandswertes für die Verfahrensgebühr führen. Dies würde dem Grundsatz des § 15 Abs. 4 RVG entgegenstehen, nach dem bereits entstandene Gebühren nicht nachträglich wieder wegfallen können.
Besonders deutlich wird dies, wenn dem mit der Zwangsvollstreckung beauftragten Rechtsanwalt das Mandat nach Entgegennahme der Information oder nach Eingang des Antrags auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entzogen wird. In diesem Fall wird die Vergütung des Anwalts gem. § 8 Abs. 1 S. 1 RVG mit der Erledigung des Auftrags fällig, so dass er die fällige Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG nebst Auslagen sofort abrechnen kann. Diese Abrechnung erfolgt selbstverständlich nach dem Betra...