Die letztgenannte Auffassung ist zumindest unpraktikabel, weil die subjektiven Vorstellungen des Gläubigers einerseits und seines Verfahrensbevollmächtigten andererseits unterschiedlich sein können. Die subjektiven Vorstellungen des Gläubigers können zudem von dem Gedanken beeinflusst sein, seinem Rechtsanwalt eine möglichst geringe Vergütung zahlen zu müssen, während die Vorstellungen des Anwalts eher in die Gegenrichtung gehen. Außerdem können solche subjektiven Vorstellungen kaum mit einem bestimmten Betrag bewertet werden. Aber auch die wohl h.A., die lediglich den Mindestwert annimmt, überzeugt nicht.
aa) Gesetzeswortlaut
Bereits der Wortlaut des § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG spricht eigentlich gegen diese Auffassung. Die Vorschrift unterscheidet zwischen "dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung" im 1. Halbsatz einerseits und der Pfändung eines "bestimmten Gegenstandes" im 2. Halbsatz andererseits. Die Regelung, nach der der geringere Wert maßgebend ist, bezieht sich ausdrücklich nur auf die zweite Fallgestaltung, nach der "ein bestimmter Gegenstand gepfändet" werden soll. Demgegenüber findet sich bei der im 1. Halbsatz geregelten Vollstreckung einer Geldforderung eine derartige Einschränkung nicht. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diese unterschiedliche Bewertung mit Absicht vorgenommen hat. Jedenfalls hat er auch den seit über 20 Jahren bestehenden Streit nicht zum Anlass genommen, die Bestimmung des § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG zu ändern.
bb) Zum Anfall der Verfahrensgebühr
Diejenige Auffassung, die dem Rechtsanwalt lediglich die Mindestgebühr oder die nach dem Mindestwert zu berechnende Gebühr zubilligen will, steht mit den Grundsätzen des anwaltlichen Vergütungsrechts nicht in Übereinstimmung. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG entsteht – wie jede Verfahrensgebühr – nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Somit fällt die Verfahrensgebühr beim Gläubiger-Vertreter mit der Entgegennahme der entsprechenden Information und ferner mit dem Einreichen des Antrags auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an. Dabei ist – wie eindeutig aus § 25 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 RVG folgt – der Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung als Gegenstandswert anzusetzen. Erweist sich später, dass die zu pfändende Geldforderung einen geringeren Wert hat oder sogar überhaupt nicht besteht, kann dies nicht zu einer Ermäßigung des Gegenstandswertes für die Verfahrensgebühr führen. Dies würde dem Grundsatz des § 15 Abs. 4 RVG entgegenstehen, nach dem bereits entstandene Gebühren nicht nachträglich wieder wegfallen können.
Besonders deutlich wird dies, wenn dem mit der Zwangsvollstreckung beauftragten Rechtsanwalt das Mandat nach Entgegennahme der Information oder nach Eingang des Antrags auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entzogen wird. In diesem Fall wird die Vergütung des Anwalts gem. § 8 Abs. 1 S. 1 RVG mit der Erledigung des Auftrags fällig, so dass er die fällige Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG nebst Auslagen sofort abrechnen kann. Diese Abrechnung erfolgt selbstverständlich nach dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung. Die Gegenmeinung mutet dem Rechtsanwalt zu, mit der Abrechnung der bereits fälligen Vergütung abzuwarten, bis sich herausstellt, welchen Erfolg die Vollstreckungsmaßnahme hat. Hierfür gibt es jedoch keine gesetzliche Grundlage. Außerdem wird vielfach der aus dem Mandat ausgeschiedene Anwalt keinerlei Erkenntnisse über den weiteren Verlauf der von ihm eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahme haben.
Hier wird wieder die unterschiedliche gesetzliche Regelung in § 25 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 RVG einerseits und in dessen Halbsatz 2 andererseits verständlich. Ob eine Forderung gegen den Drittschuldner werthaltig ist, stellt sich erst nach erfolgter Forderungspfändung oder sogar noch später heraus, so dass für den Gegenstandswert grundsätzlich von "dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung" auszugehen ist, der ja von vornherein feststeht. Demgegenüber kann der Wert eines zu pfändenden bestimmten Gegenstandes bei entsprechender Sachkunde von Anfang an ermittelt oder jedenfalls geschätzt werden. In beiden Fällen kann damit der Verfahrensbevollmächtige seine Gebühr(en) nach Fälligkeit berechnen, ohne den Erfolg der Vollstreckungsmaßnahme abwarten zu müssen.