1. Grundsatz: Ausschluss im Urteilsverfahren
Gemäß § 91 Abs. 1 ZPO, der gem. § 46 Abs. 2 ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren entsprechend gilt, hat die unterlegene Partei die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung ihres Gegners notwendigen Kosten zu erstatten. Hiervon ausgeschlossen ist im Urteilsverfahren des ersten Rechtszuges vor dem Arbeitsgericht gem. § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG der Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistands. Der Ausschluss der Kostenerstattung gilt auch in einem arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren erster Instanz bei Beteiligung der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (LAG Hessen RVGreport 2016, 70 [Hansens]).
Die Regelung des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG soll das Kostenrisiko der Partei begrenzen. Jedoch soll die erstattungspflichtige Partei nicht dadurch begünstigt werden, dass die erstattungsberechtigte Gegenpartei zu einem vom Arbeitsgericht angesetzten Termin nicht selbst erscheint, sondern einen Prozessbevollmächtigten entsendet. § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG soll nämlich die durch die Tätigkeit eines Prozessbevollmächtigten eintretende Verteuerung des Prozesses verhindern, nicht jedoch Kostenerstattungsansprüche schlechthin ausschließen. Dies hat zur Folge, dass alle außergerichtlichen Kosten der Partei, die nicht in § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG genannt sind, erstattungsfähig bleiben (BAG RVGreport 2015, 426 [Hansens]).
Folglich sind, als solche im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren erster Instanz nicht erstattungsfähige, Anwaltskosten in der Höhe erstattungsfähig, in der notwendige Parteireisekosten erspart worden sind. Solche Reisekosten sind dann notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO, wenn eine Partei in der konkreten Lage die die Kosten verursachende Reise vernünftiger Weise als sachdienlich ansehen durfte (BAG RVGreport 2004, 474 [Hansens] = AGS 2004, 364 m. Anm. N. Schneider). Dabei ist jede Prozesspartei verpflichtet, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle eines Sieges vom Gegner erstattet verlangen solle, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt. Diese Verpflichtung beherrscht als Ausdruck von Treu und Glauben das gesamte Kostenrecht (BAG RVGreport 2008, 229 [Hansens] = JurBüro 2008, 319; BGH RVGreport 2007, 399 [ders.] = AGS 2007, 541 m. Anm. Schons).
2. Ausnahmen
Der Ausschluss der Kostenerstattung gilt nicht:
- für das Zwangsvollstreckungsverfahren vor den ArbG (LAG Baden-Württemberg LAGE Nr. 3 zu § 12a ArbGG 1979 Streitwert; LAG Berlin MDR 1986, 877 = DB 1986, 753; LAG Frankfurt BB 1968, 630; LAG Köln AnwBl 1995, 316) oder
- für die Kosten einer anwaltlichen Zahlungsaufforderung (LAG Köln AnwBl 1995, 316 = InVo 1996, 56).
- Für das Beschwerdeverfahren nach § 78 ArbGG findet § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG keine Anwendung (BAG RVGreport 2015, 145 [Hansens] = JurBüro 2015, 195; OLG Schleswig AnwBl 1995, 386).
- Schadensersatzansprüche gem. § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO sind nach jetzt allgemeiner Auffassung nicht durch § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG ausgeschlossen (BAGE 65, 139 = NJW 1990, 2943 = NZA 1991, 27, s. ferner BAG RVGreport 2006, 110 [Hansens] = NJW 2006, 717).
- Gleiches gilt für den Ersatzanspruch des Drittschuldners gegen den Pfändungsgläubiger wegen der durch die Auskunftserteilung entstandenen Kosten des Drittschuldners (BAG NZA 1985, 289 = NJW 1985, 1181).
- Für verwaltungsgerichtliche Verfahren, in denen es um die von dem Integrationsamt erteilte oder verweigerte Zustimmung zur Kündigung eines schwer behinderten Arbeitnehmers geht, ist § 162 Abs. 3 VwGO vorrangig; der Ausschluss der Kostenerstattung gilt deshalb nicht (Germelmann/Matthes/Prütting, § 12a ArbGG Rn 4; a.A. Kronisch NVwZ 1993, 251).
- Noch nicht von der Rechtsprechung entschieden ist die Frage, ob der Ausschluss der Kostenerstattung auch für das Verfahren wegen überlanger Gerichtsverfahren nach den §§ 198 ff. GVG gilt. (s. hierzu Germelmann/Matthes/Prütting § 12a ArbGG Rn 2a). Dagegen spricht, dass es sich zwar um ein erstinstanzliches Verfahren handelt, dieses aber vor dem LAG oder dem BAG betrieben wird, bei denen sonst die Kostenerstattung nicht nach § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG ausgeschlossen ist.
- Vom Ausschluss der Kostenerstattung nicht betroffen sind die tatsächlichen Reisekosten der Partei, sofern diese notwendig waren. Dies betrifft insbesondere Reisen der Partei zu einem Verhandlungstermin vor dem ArbG. Diese können in vollem Umfang selbst dann erstattungsfähig sein, wenn bei Vertretung durch einen Rechtsanwalt nur geringere Kosten angefallen wären (LAG Hamburg, Beschl. v. 13.8.1992 – 2 Ta 8/92, n.v.). Gemäß § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG ist allerdings der Anspruch der Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis im erstinstanzlichen Urteilsverfahren ausgeschlossen. Dies gilt insbesondere für die Zeitversäumnis bei vorbereitenden Handlungen wie die Klageerhebung, die Information des Prozessbevollmächtigten oder das Fertigen von Schriftsätzen, bei der Anordnung des persönlichen Erscheinens gem. ...