Betreibt der Gläubiger die Forderungspfändung, so weiß er zum Zeitpunkt seines Antrags auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht, welchen Erfolg diese Zwangsvollstreckungsmaßnahme haben wird. Nicht selten stellt sich heraus, dass die gegen den Drittschuldner gerichtete Forderung objektiv wertlos ist. In einem solchen Fall stellt sich dann die Frage, nach welchem Gegenstandswert sich die dem Verfahrensbevollmächtigten des Gläubigers oder des Schuldners angefallene 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG berechnet.
1. Rechtliche Grundlage
Gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG bestimmt sich der Gegenstandswert in der Zwangsvollstreckung nach dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung, höchstens jedoch nach dem Wert des gepfändeten Gegenstandes. Soll ein bestimmter Gegenstand gepfändet werden und hat dieser einen geringeren Wert, so ist der geringere Wert maßgebend. Nach einer weit verbreiteten Auffassung (s. neulich OLG Brandenburg RVGreport 2016, 470 [Hansens]) gilt der vorgenannte Satz auch für die Vollstreckung einer Geldforderung. Denn unter einem "bestimmten" Gegenstand seien nicht nur bewegliche oder unbewegliche Sachen, sondern insbesondere auch Forderungen zu verstehen.
2. Berechnung
a) In Rechtsprechung und Literatur umstritten
Wie sich der Gegenstandswert für den im Rahmen der Zwangsvollstreckung tätigen Rechtsanwalt berechnet, wenn sich die Pfändung bei der Drittschuldnerin im Nachhinein als wertlos herausgestellt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten:
- Nach einer Auffassung berechnen sich die Gebühren des Rechtsanwalts nur nach dem gesetzlichen Mindestwert von 500 EUR (§ 13 Abs. 1 S. 1 RVG). Dies führt dazu, dass dem im Rahmen der Zwangsvollstreckung tätigen Rechtsanwalt die nach Nr. 3309 VV RVG nur anfallende 0,3 Verfahrensgebühr zumindest in Höhe der Mindestgebühr des § 13 Abs. 2 RVG von 15 EUR zusteht (OLG Köln Rpfleger 2001, 149 zu § 11 Abs. 2 BRAGO; OLG Brandenburg RVGreport 2016, 470 [Hansens]; LG Stuttgart AGS 2013, 475 = JurBüro 2013, 607; LG Hamburg ZMR 2009, 697; AG Hamburg-Altona AGS 2007, 100 mit Anm. Mock; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., § 25 Rn 17; Schneider/Herget/Noethen, Streitwertkommentar, 14. Aufl., Rn 4446; Göttlich/Mümmler/Frankenberg, RVG, 6. Aufl., S. 1282; Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., § 25 Rn 11; Riedel/Sußbauer/Potthoff, RVG, 10. Aufl., § 25 Rn 12; AnwK-RVG/Volpert, 8. Aufl., § 25 Rn 44).
- Eine zweite Auffassung stellt bei einer wertlosen Forderung auf den Wert der zu vollstreckenden Forderung ab (OLG Karlsruhe RVGreport 2011, 73 [Hansens] = AGS 2010, 539; LG Hamburg AnwBl. 2006, 499; LG Koblenz RVG-Berater 2005, 135 mit Anm. Goebel und Mock; LG Düsseldorf RVGreport 2005, 358 [Volpert] = AGS 2006, 86 mit Anm. Mock; LG Kiel JurBüro 1991, 1198 mit Anm. Mümmler; Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl., Teil 18 Rn 65 ff.).
- Nach einer dritten Auffassung ist darauf abzustellen, von welchem Wert der Gläubiger oder sein Rechtsanwalt subjektiv ausgehen konnte (OLG Naumburg RVGreport 2014, 441 [Hansens] = AGS 2014, 516; Hartung/Römermann, RVG, 2. Aufl., § 25 Rn 9 bis 15). Dieser Wert sei mangels anderweitiger Grundlagen durch anwaltliche Schätzung zu ermitteln.
b) Bewertung
Die letztgenannte Auffassung ist zumindest unpraktikabel, weil die subjektiven Vorstellungen des Gläubigers einerseits und seines Verfahrensbevollmächtigten andererseits unterschiedlich sein können. Die subjektiven Vorstellungen des Gläubigers können zudem von dem Gedanken beeinflusst sein, seinem Rechtsanwalt eine möglichst geringe Vergütung zahlen zu müssen, während die Vorstellungen des Anwalts eher in die Gegenrichtung gehen. Außerdem können solche subjektiven Vorstellungen kaum mit einem bestimmten Betrag bewertet werden. Aber auch die wohl h.A., die lediglich den Mindestwert annimmt, überzeugt nicht.
aa) Gesetzeswortlaut
Bereits der Wortlaut des § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG spricht eigentlich gegen diese Auffassung. Die Vorschrift unterscheidet zwischen "dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung" im 1. Halbsatz einerseits und der Pfändung eines "bestimmten Gegenstandes" im 2. Halbsatz andererseits. Die Regelung, nach der der geringere Wert maßgebend ist, bezieht sich ausdrücklich nur auf die zweite Fallgestaltung, nach der "ein bestimmter Gegenstand gepfändet" werden soll. Demgegenüber findet sich bei der im 1. Halbsatz geregelten Vollstreckung einer Geldforderung eine derartige Einschränkung nicht. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diese unterschiedliche Bewertung mit Absicht vorgenommen hat. Jedenfalls hat er auch den seit über 20 Jahren bestehenden Streit nicht zum Anlass genommen, die Bestimmung des § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG zu ändern.
bb) Zum Anfall der Verfahrensgebühr
Diejenige Auffassung, die dem Rechtsanwalt lediglich die Mindestgebühr oder die nach dem Mindestwert zu berechnende Gebühr zubilligen will, steht mit den Grundsätzen des anwaltlichen Vergütungsrechts nicht in Übereinstimmung. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG entsteht – wie jede Verfahrensgebühr – nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Somit fällt die Verfahrensgebüh...