Der Allgemeinanwalt oder Generalist hat es immer schwerer, sich auf dem Markt zu behaupten. Mehr und mehr Anwälte drängen in eine, zwei oder gar drei der insgesamt 23 Fachanwaltschaften. Anfang 2016 waren insgesamt 53.629 Fachanwaltstitel verliehen. Sie geben nicht nur dem Rechtsuchenden Orientierungsmöglichkeiten bei der Suche nach einem geeigneten Rechtsanwalt, sondern haben auch zu einem sichtbaren Qualifikationsschub innerhalb der Anwaltschaft geführt (Ewer NJW-Editorial 10/2015). Auf den anwaltlichen Briefbögen finden sich aber nicht nur Hinweise auf Fachanwaltschaften, sondern immer häufiger selbst kreierte Bezeichnungen, darunter allen voran der Spezialist oder der Experte. Während ein Anwalt vor der Verleihung eines Fachanwaltstitels theoretische Kenntnisse und in nicht unerheblichem Umfang praktische Erfahrungen in dem betreffenden Rechtsgebiet nach den detaillierten Vorgaben der FAO nachweisen muss, fehlen für diese Selbstbezeichnungen klare Kriterien. § 7 BORA legt insoweit fest, dass unabhängig von Fachanwaltsbezeichnungen Teilbereiche der Berufstätigkeit nur benennen darf, wer seinen Angaben entsprechende Kenntnisse nachweisen kann, die in der Ausbildung, durch Berufstätigkeit, Veröffentlichungen oder in sonstiger Weise erworben wurden. Wer qualifizierende Zusätze verwendet, muss zusätzlich über entsprechende theoretische Kenntnisse verfügen und auf dem benannten Gebiet in erheblichem Umfang tätig gewesen sein. Zudem werden Benennungen dieser Art für unzulässig erklärt, soweit sie die Gefahr einer Verwechslung mit Fachanwaltschaften begründen oder sonst irreführend sind.
Die aktuelle Fassung des § 7 BORA geht zurück auf einen Beschluss des BVerfG vom 28.7.2004 (Az. 1 BvR 159/04, NJW 2004, 2656). Die zweite Kammer des Ersten Senats hatte es unter Berufung auf Art. 12 GG als unzulässig angesehen, einem Rechtsanwalt, der anerkanntermaßen ein Spezialist für Verkehrsrecht ist, auf seinem Briefbogen die Verwendung der Bezeichnung "Spezialist für Verkehrsrecht" zu untersagen. Während zum Zeitpunkt der Entscheidung noch keine Fachanwaltschaft für Verkehrsrecht existierte, hatte der Wettbewerbssenat des BGH 2014 zu entscheiden, ob sich ein Anwalt "Spezialist für Familienrecht" nennen darf (Urt. v. 24.7.2014 – I ZR 53/13, NJW 2015, 704 m. krit. Anm. Deckenbrock BerlAnwBl 2015, 124 ff.). Nach diesem Urteil kann einem Anwalt, dessen Fähigkeiten den an einen Fachanwalt zu stellenden Anforderungen entsprechen, nicht untersagt werden, sich als Spezialist in diesem Rechtsgebiet zu bezeichnen. Mit dem hier zu besprechenden Urteil liegt nun eine weitere Entscheidung zur Zulässigkeit einer Spezialistenbezeichnung (dieses Mal ging es um das Erbrecht) vor. Die Besonderheit des Falls lag darin, dass der klagende Anwalt bereits "Fachanwalt für Erbrecht" war und gleichzeitig als Fachanwalt und Spezialist in diesem Rechtsgebiet auftreten wollte.