Da die Neuregelung nur eine Kodifizierung der Rechtsprechung enthält und keine inhaltliche Änderung der Rechtslage bezweckt, sind ihre Auswirkungen für die Praxis gering. Etwas überspitzt könnte man den Wert der Neuregelung so formulieren: Bislang hat man direkt auf die Rechtsprechung des BAG zurückgegriffen, nun richtet sich der Blick zunächst auf § 611a BGB, um sich sodann zur Auslegung der dortigen Formulierungen doch wieder auf die Entscheidungspraxis des BAG zuzuwenden. Der Sache nach geht es für den Experten eher um einen "Umweg" als um eine echte Arbeitserleichterung. Gleichwohl sollte man der Regelung eine gewisse Anerkennung als Beitrag zu einer verbesserten Rechtskultur im Arbeitsrecht zollen, weil unbestreitbar die Kernelemente des Arbeitsvertrags und damit auch des Arbeitnehmerbegriffs fixiert werden; die Transparenz wird im Arbeitsrecht zumindest für den Laien verbessert.
Aufgrund des bewussten Verzichts auf eine Rechtsprechungskorrektur behalten auch nach der Neuregelung unverändert diejenigen Indizien ihre Bedeutung, die von der Rechtsprechung des BAG für die Abgrenzung des Arbeitnehmers vom (Solo-)Selbstständigen entwickelt wurden. Insoweit bietet der nicht weiter verfolgte Kriterienkatalog des ersten Referentenentwurfs jedenfalls in den Ziffern b) bis f) des § 611a Abs. 2 S. 2 BGB-RefE-I gewisse Anhaltspunkte. Abzustellen ist neben dem im Vordergrund stehenden Weisungsrecht hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit u.a. auf
- den Ort der Dienstleistung (eigene Arbeitsorganisation oder Tätigkeit in den Räumen des Vertragspartners),
- die Verwendung von Betriebsmitteln des Auftraggebers oder eines Dritten,
- die Zusammenarbeit mit Personen, die von dem Vertragspartner eingesetzt oder beauftragt sind,
- die ausschließliche oder überwiegende Tätigkeit für den Vertragspartner und
- das Vorhalten einer eigenen betrieblichen Organisation, um die geschuldete Leistung erbringen zu können.
Die Rechtsprechung stellt u.a. darauf ab, ob die Zusammenarbeit dem Auftragnehmer vertraglich sowie faktisch noch Freiräume belässt, auch anderen Geschäftsbeziehungen nachkommen zu können. Ob der Auftragnehmer tatsächlich noch weitere Auftraggeber hat, er also die vertraglich eingeräumten Entwicklungsmöglichkeiten tatsächlich nutzt, ist dabei ohne Bedeutung (BAG, Urt. v. 30.9.1998 – 5 AZR 563/97, NZA 1999, 374 – unter IV. 3. b.). Die notwendigen Freiräume für andere Geschäftsbeziehungen sind allerdings dann nicht mehr gegeben, wenn der Auftragnehmer zeitlich so stark durch den Auftraggeber gebunden wird (z.B. zur Verfügung stehen von 9–17 Uhr täglich), dass deswegen eine Annahme anderer Aufträge faktisch quasi unmöglich wird. Über die Indizwirkung eines Arbeitsverhältnisses hilft dann auch eine ausdrückliche Vereinbarung, dass andere Aufträge angenommen werden können, nicht hinweg (BAG, Urt. v. 19.11.1997 – 5 AZR 653/96, NZA 1998, 364 ff. – unter I. 4. a.).