1. Neuer § 611a BGB
Das erwähnte Ziel der Bekämpfung eines Missbrauchs von Werkverträgen wird in der Neuregelung durch einen Eingriff in das Herzstück des Zivilrechts umgesetzt, indem in einem neuen § 611a BGB en passant die Jahrhundertaufgabe der gesetzlichen Definition des Arbeitnehmerbegriffs bewältigt wird. Der letztlich Gesetz gewordene § 611a BGB definiert den Arbeitnehmer nicht unmittelbar, sondern nur indirekt über die Definition des Arbeitsvertrags. Die Neuregelung lautet:
Zitat
§ 611a BGB Arbeitsvertrag:
(1) Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.
(2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
Hinweis:
Maßgeblich für das Verständnis dieser Norm ist aufgrund ihrer Genese in erster Linie die Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales (BT-Drucks 18/10064, S. 16 ff.). Ziel der Regelung ist es danach, über die Kodifizierung der Rechtsprechung missbräuchliche Gestaltungen des Fremdpersonaleinsatzes durch nur vermeintlich selbstständige Tätigkeiten zu verhindern und zugleich die Rechtssicherheit der Verträge zu erhöhen.
Die Regelung beruht weitestgehend auf der Rechtsprechung des BAG, wobei man sich eng an den Wortlaut aktueller höchstrichterlicher Entscheidungen angelehnt hat. So finden sich die Aussagen teils im Originalton, teils in ähnlichen Formulierungen in Entscheidungen des 5., 9. und 10. Senats (vgl. nur aus jüngerer Zeit BAG, Urt. v. 21.7.2015 – 9 AZR 484/14; 25.9.2013 – 10 AZR 282/12; 25.5.2005 – 5 AZR 347/04) wieder. Pate gestanden hat insbesondere der 1. Leitsatz der Entscheidung des BAG vom 21.7.2015 (NZA-RR 2016, 344), in dem es wörtlich heißt: "Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann." In der Entscheidung ging es um einen Arzt, der sich vertraglich verpflichtet hatte, für den von den gesetzlichen Krankenversicherungen gegründeten medizinischen Beratungs- und Begutachtungsdienst Gutachten zur Prüfung von Pflegebedürftigkeit gemäß dem Pflegeversicherungsgesetz zu erstellen. Er wurde vom 9. Senat nach diesen Kriterien nicht als Arbeitnehmer eingestuft.
Während der Regierungsentwurf diesen Leitsatz noch wörtlich übernehmen wollte, hat man sich im Zuge der Beratungen im Ausschuss für Arbeit und Soziales auf entsprechende Kritik der Sachverständigen (etwa Henssler, in: Deutscher Bundestag Ausschussdrucksache 18 (11) 761, S. 41; Thüsing, ebenda, S. 31) bemüht, den Wortlaut besser mit der Regelung des § 106 GewO zu synchronisieren. Dementsprechend wird das Weisungsrecht in § 611a Abs. 1 S. 2 BGB nunmehr ohne das Merkmal "Dauer" umschrieben. Mit der Streichung gegenüber dem Regierungsentwurf soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die "Dauer" der Tätigkeit im Sinne des Umfangs der wöchentlichen bzw. monatlichen Arbeitspflicht als vertragliches Kernelement nicht dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Überraschen muss, dass man im Interesse einer vollständigen Angleichung an § 106 GewO nicht auch auf das Merkmal der "Durchführung" verzichtet bzw. dieses Merkmal zusätzlich in § 106 GewO aufgenommen hat. Die Begründung betont außerdem, dass die Regelung in § 84 Abs. 1 S. 2 HGB durch die Neufassung nicht berührt wird.
2. Abgrenzung des Arbeitnehmers vom Selbstständigen
Da die Neuregelung nur eine Kodifizierung der Rechtsprechung enthält und keine inhaltliche Änderung der Rechtslage bezweckt, sind ihre Auswirkungen für die Praxis gering. Etwas überspitzt könnte man den Wert der Neuregelung so formulieren: Bislang hat man direkt auf die Rechtsprechung des BAG zurückgegriffen, nun richtet sich der Blick zunächst auf § 611a BGB, um sich sodann zur Auslegung der dortigen Formulierungen doch wieder auf die Entscheidungspraxis des BAG zuzuwenden. Der Sache nach geht es für den Experten eher um einen "Umweg" als um eine echte Arbeitserleichterung. Gleichwohl sollte man der Regelung eine gewisse Anerkennung als Beitrag zu einer verbesserten Rechtskultur im Arbeitsrecht zollen, weil unbestreitbar die Kernelemente des Arbeitsvertrags und damit auch des Arbeitnehmerb...