1. Überblick über die Gesamtregelung

Hauptanliegen der Gesetzesnovelle ist die Reform des Rechts der Leiharbeit. Gesetzliches Anliegen ist die Bekämpfung des funktionswidrigen Einsatzes der Zeitarbeit und ihre Rückführung auf ihre Kernfunktion. Ausweislich der Regierungsbegründung (BT-Drucks 18/9232, S. 20) sollen mit § 1 Abs. 1b AÜG außerdem die Leiharbeitnehmer geschützt werden, "weil sie nur für einen klar begrenzten Zeitraum eingesetzt werden können". Im Einzelnen werden diese Ziele insbesondere durch die folgenden im Überblick dargestellten gesetzlichen Maßnahmen umgesetzt:

  • erstmalige Definition des Leiharbeitnehmers in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG,
  • ausdrückliches Verbot des Kettenverleihs § 1 Abs. 1 S. 3 AÜG,
  • Präzisierung der Drehtürklausel, wenn der Leiharbeitnehmer zuvor Arbeitnehmer des Entleihers oder eines mit diesem konzernverbundenen Unternehmens war (§ 8 Abs. 3 AÜG),
  • Beschränkung der Höchstüberlassungsdauer auf 18 Monate bei begrenzter Tariföffnung, § 1 Abs. 1b AÜG,
  • Präzisierung eines strengen Verständnisses des Grundsatzes der Gleichstellung (Equal-Treatment) in § 8 AÜG,
  • eine nur begrenzte Tariföffnung im Bereich des Equal-Pay-Grundsatzes für neun bis 15 Monate und eine weit gefasste Tariföffnung für sonstige Arbeitsbedingungen,
  • Sperrfristen von drei Monaten sowohl bei der Höchstüberlassung (§ 1 Abs. 1b S. 2 AÜG) als auch für das Eingreifen des tarifdispositiven Gleichstellungsgrundsatzes (§ 8 Abs. 4 S. 4 AÜG),
  • weitreichende Kennzeichnungspflichten und damit verbunden die Wirkungslosigkeit einer sog. Vorratserlaubnis (§ 1 Abs. 1 S. 5 und 6 AÜG),
  • eine starke Bürokratisierung der Festhaltenserklärung des Zeitarbeitnehmers bei Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher (§ 9 AÜG),
  • strenge Sanktionen bereits bei geringfügigen Verstößen,
  • Verbot des Einsatzes von Zeitarbeitnehmern als Streikbrecher (§ 11 Abs. 5 AÜG),
  • begrenzter Ausbau der Informationsrechte des Betriebsrats (§§ 80, 92 BetrVG),
  • Berücksichtigung der Zeitarbeitnehmer bei Schwellenwerten nach einem Einsatz beim Entleiher von mindestens sechs Monaten (§ 14 Abs. 2 AÜG).
 

Praxishinweis:

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die letztlich verabschiedete Fassung in vielen Punkten deutliche Verbesserungen gegenüber den vorausgegangenen Entwürfen enthält. Gleichwohl enthält das neue Recht zahlreiche Fallstricke für die Praxis. Zudem ist – ähnlich wie bei § 611a BGB – fraglich, ob das Regelungsanliegen "Schutz der Leiharbeitnehmer" tatsächlich effektiv umgesetzt wurde.

2. Definition des Leiharbeitnehmers

Parallel zur Definition des Arbeitsvertrags in § 611a BGB wird mit dem Reformgesetz erstmals auch in das AÜG eine Legaldefinition des Leiharbeitnehmers aufgenommen. § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG und die ergänzende Vorschrift des § 12 Abs. 1 S. 2 AÜG sollen künftig folgenden Inhalt haben:

Zitat

§ 1 Abs. 1 S. 2 AÜG: "Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen."

§ 12 Abs. 1 S. 2 AÜG: "Wenn der Vertrag und seine tatsächliche Durchführung einander widersprechen, ist für die rechtliche Einordnung des Vertrags die tatsächliche Durchführung maßgebend."

Laut Gesetzesbegründung sollen – ebenso wie auch § 611a BGB lediglich als restatement der BAG-Rechtsprechung gedacht ist – die Vorgaben der §§ 1, 12 AÜG nur die bisherige Rechtsprechung festschreiben, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer überlassen wird (BT-Drucks 18/9232, S. 19). Der unproblematische § 12 Abs. 1 S. 2 AÜG kodifiziert die schon in § 611a BGB klargestellte und gefestigte Entscheidungspraxis der Arbeitsgerichte entsprechende Maßgeblichkeit der tatsächlichen Vertragsdurchführung. § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG soll der Abgrenzung zwischen dem Einsatz eines Arbeitnehmers als Leiharbeitnehmer im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung und als Erfüllungsgehilfe im Rahmen eines Werk- bzw. Dienstvertrags dienen. Allerdings ist – anders als in § 611a BGB – die Rechtsprechung insoweit nur unvollständig aufgearbeitet worden. Nach der Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 30.1.1991 – 7 AZR 497/89, NZA 1992, 19, 21; v. 6.8.1997 – 7 AZR 663/96; v. 6.8.2003 – 7 AZR 180/03, AP § 9 AÜG Nr. 6 – unter II. 1. a) liegt Arbeitnehmerüberlassung vor, "wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb (voll) eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen".

 

Hinweis:

Der Verzicht auf die Präzisierungen "voll" eingegliedert und "allein" nach Weisungen darf keinesfalls künftig zum Anlass genommen werden, entgegen der Intention des Gesetzgebers den Begriff des Leiharbeitnehmers nun doch auszuweiten und auch solche Fremdpersonaleinsätze auf der Grundlage von Werkverträgen als verdeckte Leiharbeit zu qualifizieren, bei denen der als Erfüllungsgehilfe des Auftragnehmers entsandte Arbeitnehmer nur partiell eingegliedert wird und im Einsatzbetrieb nur vereinzelten Weisungen ausgesetzt ist.

Wichtig erscheint daher der ergänzende Hinweis, dass bei der Zeitarbeit die ausführende Person und eben nicht nur der Arbeitsp...

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