Ursprünglich wurde Mediation als ein strikt außergerichtliches Verfahren der konsensualen Streitbeilegung verstanden. Es war daher ein echter Paradigmenwechsel, als sich ab 2002 als ein deutscher Sonderweg ein Wandel hin zu einer gerichtsinternen Mediation entwickelte. In allen Bundesländern und allen Gerichtsbarkeiten wurden Modellversuche unternommen, Mediation trotz Rechtshängigkeit von Verfahren durch Richter durchzuführen (grundlegend von Bargen, Gerichtsinterne Mediation, 2008). Diese Modellversuche waren durchaus erfolgreich. Dennoch standen und stehen ihnen gewichtige Bedenken entgegen. Kernaufgabe des Richters ist trotz des gesetzlichen Auftrags zur gütlichen Streitbeilegung (§ 278 Abs. 1 ZPO) die Streitentscheidung und damit die strikte Anwendung des Gesetzes auf den konkreten Streitfall. Der Richter ist schon nach der Verfassung an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Echte Mediation unterscheidet sich davon in grundlegender Weise. Der Grundgedanke von Mediation, Hilfestellung zu einer privatautonomen Lösung zu geben, auch wenn diese sich von der Gesetzesanwendung weit entfernt, entspricht nicht dem Richterbild.
Gegen richterliche Mediation sprechen auch die verfassungsrechtlich garantierte Rechtsschutzgarantie und der primäre Zweck des Zivilprozesses, also die Durchsetzung subjektiver Rechte. Wert und Bedeutung staatlicher Rechtsprechung bestehen in der Garantie einer Streitentscheidung als Ablösung des Selbsthilfegedankens. Dementsprechend ist es ein Kernelement richterlich vermittelter Streitkultur, dass die Wesensmerkmale der Wahrung der Öffentlichkeit und der Mündlichkeit sowie die Veröffentlichung der jeweiligen Endentscheidungen gewährleistet sind. Gerade die Transparenz richterlicher Tätigkeit und richterlicher Entscheidung sowie die Veröffentlichung der Gerichtsentscheidungen und deren wissenschaftliche Diskussion garantieren auf Dauer Rechtsbewährung und Rechtsfortbildung. Zugleich kann durch öffentliche Gerichtsverfahren Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zur Orientierung der Bürger erzielt werden. Eine lebende Rechtsordnung erfordert zwingend den offenen Umgang mit dem Rechtsstoff durch staatliche Gerichte, sie verlangt öffentliche Streitverfahren und Zugänglichkeit der Ergebnisse. Vor diesem generellen Hintergrund und den eigentlichen Aufgaben der Justiz wird deutlich, dass Gerichtsmediation, so erfolgreich sie in der Vergangenheit gewesen sein mag, einen Irrweg darstellt (im Einzelnen s. Prütting ZZP 124, 163 [2011]).
Hinweis:
Der Gesetzgeber hat in § 1 MediationsG die gerichtsinterne Mediation ausdrücklich gestrichen und in § 9 MediationsG ab August 2013 die Bezeichnung als gerichtlicher Mediator ausdrücklich untersagt.
Stattdessen hat der Gesetzgeber den Güterichter geschaffen (vgl. § 278 Abs. 5 ZPO). Auch § 278a ZPO schafft mit der sog. gerichtsnahen Mediation keine Legitimation für einen gerichtlichen Mediator, sondern verweist die Parteien an eine außergerichtliche Mediation.
Mit der bewussten Aufgabe der Gerichtsmediation hat der Gesetzgeber aber nicht den Güte- und Schlichtungsgedanken gering geschätzt:
- Es gilt für den Richter weiterhin gem. § 278 Abs. 1 ZPO die Verpflichtung, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtstreits bedacht zu sein.
- Es gilt auch weiterhin die Verpflichtung des Gerichts, gem. § 278 Abs. 2 ZPO der mündlichen Verhandlung obligatorisch eine Güteverhandlung vorzuschalten.
Praxishinweis:
Wichtig ist die Ergänzung des § 159 Abs. 2 ZPO, wonach über die Güteverhandlung ein Protokoll nicht geführt werden muss. Geklärt ist damit, dass der Güterichter ohne zeitliche Beschränkungen mit den Parteien in jeder Hinsicht die gütliche und vergleichsweise Einigung erstreben kann. Durch einen Vergleich vor dem Güterichter kann schließlich auch ein Vollstreckungstitel geschaffen werden (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Dem Güterichter ist es nicht verwehrt, alle ihm zu Gebote stehenden mediativen Mittel einzusetzen. Er ist allerdings nicht als echter Mediator auf die strikte Zurückhaltung des Mediators verpflichtet. Vielmehr kann der Güterichter mit den Parteien die Erfolgsaussichten diskutieren. Er kann jegliche Art von vergleichsweiser Regelung des Streits vorschlagen. Er kann und darf dabei auch seine richterliche Autorität einsetzen.