Das Gericht kann und sollte in der Anordnung nähere Bestimmungen dazu treffen, ob die Urkunde oder Unterlage schon vor der mündlichen Verhandlung einzureichen ist (§ 142 Abs. 1 S. 2 ZPO) oder erst im Termin.
Mit Eingang der Urkunde entsteht ein amtliches Verwahrungsverhältnis zwischen dem Vorlegenden und dem Staat (Musielak/Voit-Stadler, a.a.O., § 142 Rn 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 142 Rn 16). Es ist streitig, ob die von den Parteien oder von Dritten nach § 142 Abs. 1 ZPO eingereichten Original-Urkunden Teil der Gerichtsakten werden und vom Akteneinsichtsrecht nach § 299 ZPO erfasst werden (dafür: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 142 Rn 14; dagegen: Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 142 Rn 16; Musielak/Voit-Stadler, a.a.O., § 142 Rn 6).
Jedenfalls ergeben sich Ansprüche auf Einsicht und Erteilung von Abschriften aus den Regelungen der §§ 131, 133 ZPO sowie einer analogen Anwendung des § 299 ZPO unter Beachtung des Grundsatzes auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.9.2012 – 13 W 90/12, juris Rn 2). Ein Anspruch auf Übersendung der Original-Urkunde besteht nicht. Nur wenn die Urkunde entbehrlich ist, der Empfänger vertrauenswürdig ist und die Person zustimmt, zwischen der und dem Gericht das Verwahrungsverhältnis begründet wurde, kann das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen die Urkunde übersenden (OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn 21).
Die Ermessensentscheidung, ob und ggf. wie lange die Urkunde auf der Geschäftsstelle verbleibt (§ 142 Abs. 1 S. 2 ZPO), hat das Gericht ebenfalls unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu treffen. Für den Verbleib kann z.B. sprechen, dass die Urkunde zur wiederholten Einsichtnahme zur Verfügung stehen soll oder vor Veränderung geschützt werden muss; gegen den Verbleib kann eine Unzumutbarkeit sprechen (Zöller/Greger, a.a.O., § 142 Rn 16).
Das Gesetz sieht keine zeitliche Grenze für die Verbleibsanordnung vor. Es kann – je nach den Umständen des Einzelfalls – zumutbar und verhältnismäßig sein, die Urkunde so lange bei Gericht zu halten, bis der Rechtsstreit rechtskräftig entschieden ist (a.A. Zöller/Greger, a.a.O., § 142 Rn 16: Rückgabe spätestens bei Schluss der Verhandlung).
Die Urkunde oder Unterlage kann nach § 286 ZPO nur verwertet werden, wenn sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung war. Durch die für die Anordnung nach § 142 Abs. 1 ZPO vorausgesetzte Bezugnahme einer Partei ist sie das, sofern nicht die Partei vor oder in der mündlichen Verhandlung diesen Bezug beseitigt. Da § 142 Abs. 1 ZPO die Dispositionsmaxime durchbricht, kann das Gericht die Urkunde oder Unterlage von sich aus – auch ohne oder gegen den Willen der Parteien – zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung machen. Dies ist als wesentlicher Vorgang nach § 160 Abs. 2 ZPO zu protokollieren.
Hingegen muss grundsätzlich nicht protokolliert werden, ob die Urkunde oder Unterlage zu Informations- oder zu Beweiszwecken verhandelt wurde (so aber Zöller/Greger, a.a.O., § 142 Rn 16). §§ 142, 286 ZPO umfassen beide Zwecke. § 160 Abs. 3 ZPO fordert, im Protokoll die Aussagen von Zeugen, Sachverständigen und vernommenen Parteien (Nr. 4) sowie das Ergebnis eines Augenscheins (Nr. 5) festzustellen, nicht jedoch die Erhebung eines Urkundenbeweises. Eine Beweiserhebung und das Beweisergebnis müssen daher nur protokolliert werden, wenn die Urkunde oder die Unterlage in Augenschein genommen wird. In jedem Fall erfordert das Recht auf rechtliches Gehör, dass die Parteien ausreichend Gelegenheit erhalten, die Urkunde oder Unterlage einzusehen und dazu Stellung zu nehmen.
Empfehlenswert ist, dass das Gericht die Anordnung frühzeitig trifft, eine Frist nach § 142 Abs. 1 S. 2 ZPO zur Vorlegung setzt und den Parteien – ebenfalls unter Fristsetzung – die Urkunde oder Unterlage vor dem Termin in Kopie zur Stellungnahme übersendet.
Hinweis:
Die Urkunde oder Unterlage kann Wirkung auf der Darlegungs- und Beweisebene entfalten. Das Gericht hat davon auszugehen, dass sich eine Partei, der der jeweilige Inhalt günstig ist, diesen Inhalt als Sachvortrag zu eigen macht und durch die Urkunde Beweis antritt, solange sich die Partei nicht anderslautend erklärt. Es ist also nicht erforderlich, dass die Parteien nach Vorlage der Urkunde dazu ausdrückliche Erklärungen abgeben. Das Gericht hat die vorgelegte Urkunde ohne weitere Parteierklärungen auszuwerten.
Eine Erklärung muss die Partei nur nach § 439 ZPO abgeben, wenn sie Gegner des Beweisbelasteten ist und bestreiten oder sich mit Nichtwissen dazu erklären will, dass eine vorgelegte Privaturkunde echt sei. Anderenfalls gilt die Echtheit einer Privaturkunde durch die Partei, die Gegner des Beweisbelasteten ist, als anerkannt. Dieser Grundsatz gilt auch für durch Dritte vorgelegte Privaturkunden. Im Verfahren vor dem Amtsgericht gilt er gem. § 510 ZPO nur dann, wenn das Gericht zur Erklärung über die Echtheit der Urkunde aufgefordert hat.
Beweisrechtlich kann das Gericht einer öffentlichen Urkunde über Erklärungen den beurkundeten ...