Das diesjährige Jahrespressegespräch des BGH war geprägt durch deutliche Äußerungen der Präsidentin des BGH, Bettina Limperg, zur von der Politik beschlossenen Schaffung zweier neuer Senate beim BGH. Im November 2018 beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestags, dass jeweils ein neuer Zivilsenat und ein neuer Strafsenat eingerichtet werden soll, der Zivilsenat in Karlsruhe und der Strafsenat in Leipzig (vgl. ZAP Anwaltsmagazin 23/2018, S. 1204). Am 14.3.2019 hat der Richterwahlausschuss insgesamt 18 neue Richterinnen und Richter für die Tätigkeit beim BGH gewählt, so dass die Senate demnächst ihre Arbeit aufnehmen können (vgl. dazu auch unten "Personalia").
Doch so richtig glücklich ist der BGH mit dieser Entscheidung der Politik nicht, wie Limperg klarstellte: "Diese neuen Stellen lösen unsere Probleme nicht, die wir zurzeit haben, den Bürgern und Unternehmen effektiven Rechtsschutz zu gewähren", sagte sie. Denn neue Richterstellen führten nicht unbedingt zu mehr Rechtssicherheit. Limperg bezeichnete es als Aufgabe eines obersten Bundesgerichts, drei Ziele zu erreichen: Die Klärung von Grundsatzfragen, die Schaffung von Einheitlichkeit in der Rechtsprechung und die Fortbildung des Rechts. Zurzeit sieht Limperg die Erreichung dieser Aufgabe durch die weiter große Flut der Nichtzulassungsbeschwerden als gefährdet an. Den 488 zugelassenen Revisionen hätten 3.800 Nichtzulassungsbeschwerden gegenübergestanden. Diese große Zahl verhindere oftmals, dass in den Senaten die Beschäftigung mit Revisionen, die oftmals für den Bürger wichtige Fragen klären, rasch behandelt werden könnten. Denn von den Nichtzulassungsbeschwerden seien weiterhin nur rund 5 % erfolgreich, die überwiegende Zahl bliebe erfolglos. Insgesamt wurden, so ergibt sich aus dem Geschäftsbericht des Gerichts, rund 85 % aller Revisionsverfahren innerhalb von zwei Jahren erledigt, die Zahl der anhängigen Verfahren bleibt aber hoch.
Wichtiger als die Schaffung neuer Stellen wäre es gewesen, dass die Rechtspolitik sich über die Erhöhung von Wertgrenzen oder andere sinnvolle Beschränkungen des Zugangs zum BGH Gedanken gemacht hätte. "Dies sehe ich aber immer noch nicht", meinte Limperg weiter. Sie wies auch auf die Gefahr hin, dass bei mehr Richtern und mehr Senaten, Probleme bei der Einheitlichkeit der Rechtsprechung entstehen könnten, was gerade für die Rechtssicherheit nicht wünschenswert sei.
Limperg regte zudem an, über eine neue Regelung für die Rücknahmen von Klagen und Revisionen kurz vor der angesetzten mündlichen Verhandlung nachzudenken, also konkret, diese Möglichkeit einzuschränken. Damit spielte die Präsidentin auf zwei Verfahren rund um die Diesel-Manipulationen von Volkswagen an, bei denen sich Volkswagen kurz vor der mündlichen Verhandlung außergerichtlich geeinigt hatte. Damit sei es dem VIII. Senat nicht mehr möglich gewesen, ein Grundsatzurteil zu fällen, mit dem auch Rechtsklarheit für sehr viele weitere anhängige Verfahren bei den Zivilgerichten hätte geschaffen werden können. Der BGH hatte dann zu dem ungewöhnlichen Mittel gegriffen, den Hinweisbeschluss an die Parteien mit Überlegungen des Senats zur Rechtslage zu veröffentlichen.
Der Zuwachs an Richterstellen stellt den BGH zudem vor große räumliche und sachliche Herausforderungen. In Leipzig seien überhaupt keine Räumlichkeiten für einen weiteren BGH-Senat im bisherigen Gebäude vorhanden; ein Angebot des Landes Sachsen für eine sichere Unterbringung gebe es bisher auch nicht. In Karlsruhe stellten sich ähnliche Probleme. Im August 2019 hätten eigentlich Sanierungsarbeiten am Westflügel, dem sog. Schellingbau, beginnen sollen, verbunden mit einem vorübergehenden Umzug von Richtern und Mitarbeitern in die General-Kammhuber-Kaserne, in die schon das BVerfG bei seinen Umbauarbeiten untergebracht war. "Wir müssen jetzt neu nachdenken, um die 15–20 neuen Zimmer, die für einen Zivilsenat mit allen Beteiligten erforderlich sind, zu schaffen", so Limperg. Außerdem stehe jetzt eine völlig neue Geschäftsverteilung an. Sie wird auch von Richtern und Rechtsanwälten mit Spannung erwartet, weil sich durch eine Änderung in den Zuständigkeiten auch Änderungen in der Rechtsprechung ergeben können.
Zur aktuellen Geschäftslage führte die Präsidentin aus, dass der BGH weiterhin im strafrechtlichen Bereich hoch belastet ist. Hielt sich die Zahl der Neueingänge auf hohem Niveau (3.651 Neueingänge), so ist die Zahl der Maßnahmen im Rahmen der ermittlungsrichterlichen Tätigkeit beim BGH um knapp 16 % auf 2.901 Maßnahmen gestiegen. Wie im Vorjahr 2017 fallen die Staatsschutzsachen und hier die Verfahren mit Bezug zum islamistischen Terrorismus deutlich ins Gewicht.
Zufrieden zeigten sich sowohl die Bundesrichter wie auch die in Karlsruhe ansässigen Journalisten mit den neuen Möglichkeiten, Urteilsverkündungen des BGH live zu übertragen bzw. aufzuzeichnen. Es schaffe mehr Transparenz und Authentizität, wenn Richter zu sehen und zu hören seien, hieß es. Zwar werde nicht jede Verkündung live übertragen, aber ...