Die Zahl der Verfahrenseingänge beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ist im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr erneut gesunken. Insgesamt sind im vergangenen Geschäftsjahr 1.160 Verfahren neu anhängig gemacht worden. Dies bedeutet eine Abnahme von 7,3 % gegenüber dem Jahr 2019. Das teilte das Gericht Anfang März in seinem Bericht über seine Geschäftslage mit.
Die Zahl der Erledigungen sank um 4,8 % auf 1.237 (Vorjahr: 1.300). Zu den erfassten Verfahren zählen neben Revisionen und Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision auch erstinstanzliche Verfahren (etwa Klagen gegen die Planung und den Ausbau besonders wichtiger Verkehrswege oder gegen Vereinsverbote), Wehrdienstverfahren, Geheimschutzsachen sowie Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Die Anzahl der am Jahresende noch anhängigen Verfahren konnte auf 559 gesenkt werden (gegenüber 636 im Vorjahr).
Die Dauer der Revisionsverfahren ist insgesamt, also unter Einschluss von unstreitigen Erledigungen, leicht gesunken: Sie betrug durchschnittlich zwölf Monate und 19 Tage gegenüber 14 Monaten und 15 Tagen im Jahr 2019. Die Dauer der durch Urteil entschiedenen Revisionsverfahren ist im Vergleich zum Vorjahr mit 15 Monaten und drei Tagen in etwa gleichgeblieben. Die Dauer der Beschwerdeverfahren ist im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert: Durchschnittlich waren sie in vier Monaten und 26 Tagen (2019: vier Monate und 23 Tage) erledigt. Von den Beschwerdeverfahren konnten 46,23 % innerhalb von drei Monaten – gerechnet ab Eingang beim Bundesverwaltungsgericht – und 70,92 % innerhalb von sechs Monaten beendet werden.
In den Verfahren über Infrastrukturvorhaben, für die das Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz zuständig ist und die i.d.R. einen besonderen Aufwand erfordern, sind im Jahr 2020 insgesamt 47 und damit etwas weniger Klagen als im Vorjahr (2019: 52) eingegangen. Bezogen auf derartige Infrastrukturvorhaben sind 18 Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt worden. Das war ein Antrag weniger als im Jahr 2019 (19). Die Neueingänge verteilen sich wie folgt: Im Fernstraßenrecht sind 11, im Schienenwegerecht 14, im Energieleitungsausbaurecht 14 und im Wasserstraßenrecht 5 Klagen eingegangen. Im Recht der Anlegung und des Betriebes von Flugplätzen sind drei Klagen anhängig geworden. Die durchschnittliche Dauer der dem Bundesverwaltungsgericht erstinstanzlich zugewiesenen Klageverfahren über Infrastrukturprojekte konnte mit neun Monaten und 16 Tagen deutlich verkürzt werden.
Wie Gerichtspräsident Rennert mitteilte, erwartet das Bundesverwaltungsgericht insb. bei solchen Infrastrukturvorhaben eine Welle an Verfahren auf das BVerwG zukommen. Mehrere Gesetzesänderungen der letzten Zeit hätten dazu geführt, dass das Gericht für weitere Themengebiete zuständig sein werde. Dazu zählten etwa Offshore-Windparks sowie neue Eisenbahn- und Wasserstraßenprojekte. Der Charakter des Bundesverwaltungsgerichts werde dadurch verändert, befürchtet Rennert. Wie die anderen Bundesgerichte sei es als Rechtsmittelinstanz konzipiert. Erstinstanzliche Verfahren im Infrastrukturbereich seien hingegen sehr aufwendig. Schon jetzt nähmen die Prozesse zu den großen Infrastrukturprojekten ein Drittel der Arbeitszeit des Bundesverwaltungsgerichts ein. Mehr dürfe es nicht werden, mahnte Rennert.
Die Corona-Pandemie hat das Leipziger Gericht dagegen bisher noch nicht stärker beschäftigt. Anders sehe es in den unteren Instanzen aus. Diese seien mit einer außerordentlich hohen Zahl an Eilanträgen oder Normenkontrollverfahren gegen die Corona-Rechtssetzung konfrontiert worden. Der Präsident rechne damit, dass die ersten Revisionsverfahren sein Gericht im kommenden Jahr erreichen werden.
[Quelle: BVerwG]