Das Gesetz zur Einführung der Grundrente für langjährige Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung mit unterdurchschnittlichem Einkommen und für weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Alterseinkommen (Grundrentengesetz) vom 12.8.2020 (BGBl 2020 I, 1879) ist ganz überwiegend zum 1.1.2021 in Kraft getreten. Art. 1 des Gesetzes enthält die Änderungen im SGB VI. Bereits seit dem 13.8.2020 sind die in Art. 6 des Gesetzes geregelten Änderungen im Einkommensteuergesetz (s. hierzu unten IV. 4.) in Kraft.
Bei dem Gesetzesvorhaben – das lange Zeit innerhalb der Regierungskoalition kontrovers diskutiert wurde – ließ sich die Bundesregierung vor allem von folgenden Überlegungen leiten: Die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung sind für viele Menschen die zentrale Einkommensquelle, um im Alter ihr Leben finanzieren zu können. Häufig kann die Rente die Aufgabe der Existenzsicherung nicht erfüllen, wenn jahrzehntelange Arbeit zu unterdurchschnittlichen Löhnen erfolgt oder die Berufstätigkeit durch Kindererziehung und/oder Pflege von Angehörigen unterbrochen wird und die hierfür gewährten Beitragsgutschriften nicht ausreichend sind. Hiervon sind vor allem Frauen betroffen, die immer noch überwiegend die Erziehungsleistung für ihre Kinder erbringen und dafür ihre Erwerbsarbeit unterbrechen, reduzieren oder gar aufgeben. Ein späterer Wiedereinstieg ist häufig geprägt durch Teilzeitarbeit und relativ geringe Verdienste.
Mit dem Vorhaben soll der Erwartung entsprochen werden, dass Personen, die jahrzehntelang verpflichtende Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt haben (die Grundrente ist demnach nicht bedingungslos, sondern setzt auf diese Vorleistung der Versicherten), im Alter eine der Lebensleistung entsprechende Rente – als Mindestsicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung – beziehen können. Damit soll gleichzeitig Altersarmut vermieden oder jedenfalls verringert werden.
Hinweis:
Das Armutsrisiko im Alter und seine Entwicklung differenziert stark: Besonders gefährdet sind Personen mit geringer Bildung, alleinstehende Frauen und Langzeitarbeitslose (s. Schmidt, Rn 23, und Fn 213, dort auch eine Zusammenfassung zur voraussichtlichen Entwicklung der Altersarmut bis 2036). Der Gesetzgeber hat die Folgen der Arbeitslosigkeit für die späteren Renten verschärft: Bei Inkrafttreten des SGB II zum 1.1.2005 betrugen die monatlichen Rentenbeiträge für Arbeitslosengeld-II-Bezieher 78 EUR. Der Beitrag wurde 2007 auf mtl. 40 EUR gesenkt und zum 1.1.2011 ganz abgeschafft, mit dem Hinweis, die geringen Einzahlungen führten nur zu geringen Anwartschaften. Umgekehrt hätte dieses Argument auch zu einer deutlichen Erhöhung der Beiträge führen können (s. Cremer, Armut in Deutschland, 2016, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, 2016, S. 109). Die Grundrente wird wahrscheinlich das Bestehen von Altersarmut nur leicht verändern, ggf. wird dieser Gesichtspunkt nach § 307h – zu dieser Vorschrift s. unten VI. – zu prüfen sein.
Allerdings wird die Grundrente nicht in allen Fällen ein Alterseinkommen zur Sicherung des Lebensunterhalts bzw. oberhalb des Grundsicherungsbedarfs nach dem SGB XII gewährleisten können, insb. wenn hohe Wohnkosten anfallen. Um dafür zu sorgen, dass auch dieser Personenkreis tatsächliche Einkommensverbesserungen erfährt, werden Freibeträge beim Wohngeld, der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II), in der Hilfe zum Lebensunterhalt/Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (SGB XII) und den fürsorgerischen Leistungen der sozialen Entschädigung eingeführt. Hierdurch wird erreicht, dass die Verbesserungen in der Rente nicht durch Anrechnung in den einkommensabhängigen Sozialleistungen aufgezehrt werden (s. näher zu den Überlegungen der Regierung: Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 19/18473, zu den vom Bundesrat eingefügten Änderungen s. BR-Drucks 387/20 v. 2.7.2020).
Bei der Grundrente handelt es sich nicht um eine neue Sozialleistung/Versicherungsleistung der Rentenversicherung, sondern um eine geänderte Berechnung der Rentenhöhe: Versicherungszeiten mit geringem Verdienst und entsprechend niedrigen Beiträgen werden nunmehr höher bewertet. Jetzige und künftige Rentenberechtigte erhalten einen Zuschlag auf die von den Versicherten erworbenen Entgeltpunkte (s. § 76g, durch diese werden alle rentenerheblichen Zeiten bewertet, § 63 Abs. 2 S. 1, § 6...