Die Polarisierung der Gesellschaft bei der Impf-Frage schlägt sich auch in der Bewertung des deutschen Justizsystems nieder. Denn wer sich nicht gegen eine Infektion mit dem Corona-Virus impfen lassen möchte, hat signifikant weniger Vertrauen in die Gesetze und Gerichte in unserem Land. Dies ist eine der Feststellungen aus dem jüngsten Roland-Rechtsreport, der im Februar vorgestellt wurde. ImâEUR™Auftrag des Rechtsschutzversicherers hatte das Institut für Demoskopie Allensbach für die repräsentative Studie über 1.000 Bürgerinnen und Bürger zu ihrer Meinung zum deutschen Rechtssystem befragt. "Die Polarisierung der Gesellschaft aufgrund der Impf-Frage kann auch für das Vertrauen in die Justiz erhebliche Konsequenzen mit sich bringen. Wie die Ergebnisse unserer Studie zeigen, ist dies aber nur eine von vielen Herausforderungen, denen sich die Justiz aktuell stellen muss", erklärte Dr. Ulrich Eberhardt, Vorstand von Roland Rechtsschutz.
Danach haben immerhin 70 % der Befragten sehr viel oder ziemlich viel Vertrauen in die Gesetze und in die Gerichte. Auf einen besseren Wert kommen nur kleine und mittlere Unternehmen sowie die Polizei. In der Trendanalyse der vergangenen Jahre zeigt sich, dass das Vertrauen in die Justiz relativ stabil ist. So bewegt sich das Vertrauen in die Gesetze seit drei Jahren um die 70 %. Die Gerichte verzeichnen seit 2019 gar einen Anstieg des Vertrauens um 5 %. Jedoch zeigte sich auch, dass unter den Impfverweigerern nur 27 % sehr viel oder ziemlich viel Vertrauen in die Gesetze und 34 % in die Gerichte haben. Zudem hat das Vertrauen in die Bundesregierung und in die Verwaltung im letzten Jahr abgenommen. Beiden gegenüber bringen 44 % sehr viel oder ziemlich viel Vertrauen entgegen – ein Rückgang im Vergleich zur vorangegangenen Studie um 5 % (Verwaltung) bzw. 13 % (Bundesregierung). Noch schlechter sieht es hier bei den Impfverweigerern aus: 11 % der Nicht-Geimpften vertrauen der Regierung, 23 % der Verwaltung.
Auch wenn der Justiz vergleichsweise viel Vertrauen entgegengebracht wird, äußern die Befragten deutliche Kritik am Rechtssystem. 81 % der Befragten kritisieren, dass viele Verfahren zu lange dauern würden – dies stellt den größten Kritikpunkt dar. 75 % sind der Meinung, dass Gerichte heute zu viel Arbeit hätten und überlastet seien. Außerdem kritisieren die Befragten eine mangelnde Gleichbehandlung vor Gericht: 59 % glauben, dass sich mit einem bekannten Anwalt die Aussichten auf ein günstiges Urteil verbessern würden. Und 55 % vertreten schließlich die Ansicht, dass die Gesetze heutzutage zu kompliziert seien.
Die Einschätzungen der Befragten basieren zum Teil auf persönlichen Erfahrungen mit dem Justizsystem. So geben 24 % an, in den vergangenen zehn Jahren einmal oder mehrmals an einem Gerichtsprozess beteiligt gewesen zu sein – sei es als Beklagter, Kläger oder Zeuge. Überdurchschnittlich hoch ist dieser Anteil bei den 30- bis 59-Jährigen und bei den Personen mit einer Rechtsschutzversicherung. Zudem zeigt die Studie, dass die Deutschen durchschnittlich ab einem Streitwert von knapp 3.700 EUR vor Gericht ziehen würden. Dieser Wert ist im Vergleich zu vergangenen Studien gestiegen.
Denn bereits 56 % der Befragten vertreten die Auffassung, dass sich mit einer Mediation oder Schlichtung viele rechtliche Auseinandersetzungen beilegen lassen. Dieser Anteil ist in den vergangenen Jahren um 6 % gestiegen. Schließlich verdeutlicht der Roland-Rechtsreport, dass die Digitalisierung auch vor dem Justizsystem nicht Halt macht. 46 % der Befragten begrüßen es, dass sich mit den digitalen Angeboten von Legal Tech – z.B. bei Schadenersatzforderungen oder der automatisierten Vertragserstellung – rechtliche Angelegenheiten lösen lassen, wohingegen nur 27 % meinen, dass in Zukunft für solche Aufgaben weiterhin ausschließlich Anwälte zuständig sein sollten.
[Quelle: Roland]