Die Verantwortlichkeit für selbstständige Dritte kann sich aus einem Vertrag (ggf. zugunsten oder mit Schutzwirklung zugunsten Dritter) ergeben. Jemand kann sich etwa verpflichten, einen Dritten zu beaufsichtigen. Dieser Aspekt hat besondere Bedeutung im Zusammenhang mit der Vereinbarung von Verhaltenskodizes in der Lieferkette erlangt, die den Zulieferern bestimmte Umwelt- und Arbeitsschutzstandards auferlegen. Kann z.B. der Arbeitnehmer eines Zulieferers dessen Auftraggeber mit der Begründung in Anspruch nehmen, er habe den Zulieferer nicht ordnungsgemäß überwacht? Die Problematik liegt hier darin, dass der zwischen dem Auftraggeber und seinem Zulieferer vereinbarte Verhaltenskodex Voraussetzung dafür ist, dass überhaupt von einer Pflichtverletzung gesprochen werden kann.
Hinweis:
Ob ein Vertrag zugunsten Dritter bzw. mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vorliegt, muss durch Auslegung ermittelt werden. Erforderlich ist eine von dem Verpflichteten gewollte bzw. für ihn klar erkennbare Einbeziehung Dritter in seinen Verantwortungsbereich.
Typischerweise ist ein Verhaltenskodex als Teil der CSR-Geschäftspolitik eines Unternehmers weder dazu bestimmt, den Arbeitnehmern Ansprüche gegen ihren Arbeitgeber (den Zulieferer des Unternehmers) zuâEUR™vermitteln, noch beinhaltet er eine Selbstbindung bzw. ein Versprechen des Unternehmers an die Arbeitnehmer seines Zulieferers, diesen in ihrem Interesse zu überwachen. Dazu fehlt es an der Leistungsnähe der Arbeitnehmer des Zulieferers (LG Dortmund, Urt. v. 10.1.2019 – 7 O 95/15, BeckRS 2019, 388 Rn 33 f.). Denn die Arbeitnehmer des Zulieferers sind ebensowenig wie dieser selbst einer spezifischen Gefahr durch den Auftraggeber ausgesetzt, weil ihm praktisch nur die Zahlung der Vergütung an den Zulieferer obliegt (allenfalls gekürzt um etwaige Quellensteuern: § 48 Abs. 1 S. 1 EStG bei Bauleistungen bzw. § 50a Abs. 5 S. 2 EStG bei Honoraren und Lizenzgebühren).
Etwas anderes gilt analog § 618 Abs. 1 bzw. 3 BGB, wenn die Arbeitnehmer eines Zulieferers der räumlichen und organisatorischen Herrschaft des Auftraggebers unterliegen und in dessen Betrieb produzieren; in diesem Fall haftet der Auftraggeber, weil sich die Arbeitnehmer des Zulieferers in seiner Risikosphäre bewegen (BGH, Urt. v. 7.12.2017 – VII ZR 204/14, NJW 2018, 1537 Rn 23).
In gewisser Hinsicht beinhalten auch die Mängelrechte gem. §§ 437, 634 BGB eine Verantwortlichkeit fürâEUR™selbstständige Dritte, wenn sich die (Vor-)Leistung von Zulieferern in der Kaufsache oder dem Werk niederschlägt. § 13 Abs. 3 VOB/B lässt den Werkunternehmer auch dann haften, wenn ein Mangel auf Bauteile oder die Beschaffenheit der Vorleistung eines anderen Unternehmers zurückzuführen ist, es sei denn, der Werkunternehmer hat zuvor Bedenken angemeldet. Im Ergebnis knüpfen diese Tatbestände an das Inverkehrbringen einer Sache durch den Verkäufer oder Werkunternehmer und das Leistungsversprechen an.
Hinweis:
Ein Mangel der Kaufsache wegen der Verletzung menschen- oder umweltrechtlicher Standards bei ihrer Herstellung liegt nur dann vor, wenn die Einhaltung dieser Standards gem. § 434 Abs. 2 Nr. 1 BGB zwischen den Vertragsparteien vereinbart oder gem. § 434 Abs. 3 Nr. 2 lit. b BGB von dem Verkäufer beworben wurde (Koch MDR 2022, 1, 5 f.).
Darüber hinaus kann sich jemand gem. § 765 Abs. 1 BGB für die Verbindlichkeiten eines Dritten verbürgen; alternativ sind andere Sicherheiten denkbar, z.B. eine Garantie, ein Schuldbeitritt oder ein Patronat (zu letzterem Treffer ZAP F. 15, S. 383). Außerdem ist auf die vertragliche Erfüllungsübernahme gem. § 329 BGB sowie auf die vertragliche Schuldübernahme gem. §§ 414, 415 BGB hinzuweisen.