§ 278 S. 1 BGB (Haftung für Erfüllungsgehilfen) bzw. § 651n Abs. 1 Nr. 2 BGB (Haftung des Reiseveranstalters für Leistungsträger) bzw. §§ 428, 462, 480 S. 1, 501 und § 540 HGB (Haftung für Leute von kaufmännischen Beförderern) rechnen dem Schuldner das Fremdverschulden von Gehilfen zu, selbst wenn es sich um selbstständige Auftragnehmer handelt. Das gilt allerdings nur insoweit, als diese in den spezifischen Vorgang der Leistungserbringung ihres Auftraggebers gegenüber seinen Gläubigern eingebunden sind (also z.B. bei der von dem Auftraggeber geschuldeten Übergabe der Kaufsache anâEUR™seine Kunden, der von ihm geschuldeten Durchführung der Dienstleistung oder der von ihm geschuldeten Herstellung des Werks). Der Beschaffungsvorgang eines Verkäufers, Dienstleisters oder Werkunternehmers als solcher und die von ihm in diesem Zusammenhang ausgewählten Zulieferer fallen nicht unter § 278 S. 1 BGB, weil sie nicht in die eigentliche Leistungshandlung des Verkäufers, Dienstleisters oder Werkunternehmers integriert sind (BGH, Urt. v. 27.6.1985 – VII ZR 23/84, NJW 1985, 2475, 2476; BGH, Urt. v. 2.4.2014 – VIII ZR 46/13, NJW 2014, 2183, Rn 31, 34).
Hinweis:
Die Anwendbarkeit des § 278 S. 1 BGB ist von der Reichweite der von einem Unternehmer übernommenen Verpflichtungen abhängig. Ergibt bei einem Vertrag die Auslegung, dass ein Zulieferer i.R.d. von seinem Auftraggeber übernommenen Leistungsspektrums tätig werden soll, hat dieser für das Verschulden seines Zulieferers einzustehen.
Dies sollen die nachfolgenden Beispiele veranschaulichen:
- Dass ein Rohbauunternehmer die Herstellung von Beton nicht selbst übernimmt, sondern einem anderen überlässt, führt nicht zwangsläufig zu einer Einschränkung seines Pflichtenkreises. Die Produktion des Betons ist bei der Errichtung eines Rohbaus integraler Bestandteil des Herstellungsprozesses; das kommt darin zum Ausdruck, dass Fertigbeton häufig im Zusammenwirken von Zulieferer und Bauunternehmer gegossen und der flüssige Beton aus dem Transportfahrzeug direkt in die vorbereitete Schalung gepumpt wird. Die Produktion und Verarbeitung greifen wegen der Eigenart des Materials ineinander. In einem solchen Fall ist die Zurechnung des Fremdverschuldens eines Zulieferers vertretbar (OLG Karlsruhe, Urt. v.âEUR™27.2.1997 – 11 U 31/96, NJW-RR 1997, 1240, 1241).
- In die gleiche Richtung zielt eine Gerichtsentscheidung, der zufolge der Hersteller einer Maschine Erfüllungsgehilfe des Verkäufers ist, wenn dieser zur Erfüllung der ihm selbst obliegenden Unterweisungspflicht eine Bedienungsanleitung des Herstellers nutzt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.2.2003 – 23âEUR™U 35/02, NJW-RR 2004, 672, 673).
- Nachvollziehbar ist auch eine Entscheidung, der zufolge der Hersteller einer Maschine Erfüllungsgehilfe des Verkäufers ist, wenn jener aus der schlichten Hersteller-Rolle heraustritt, indem er die gesamte Installation einer Melkanlage steuert (OLG Koblenz, Urt. v. 2.11.2017 – 1 U 725/16, juris Rn 43).
Es mag rechtspolitisch gute Gründe geben, § 278 S. 1 BGB generell auf Zulieferer, insb. jeden Hersteller, zu erstrecken. Wenn sich ein Unternehmer die Vorteile der Arbeitsteilung zunutze macht, soll er auch das damit verbundene Personalrisiko tragen. Die Zurechnung nach § 278 S. 1 BGB ist v.a. wichtig, wenn dem Gläubiger einer Leistung die Einschaltung eines Dritten durch seinen Schuldner nicht erkennbar ist. Aber selbst wenn dem Gläubiger die Einschaltung und die Person des Dritten erkennbar sind, hat der Schuldner bessere Möglichkeiten, auf ein Fehlverhalten seines Gehilfen zu reagieren, z.B. durch einen vertraglichen Regress oder die Herausnahme des Produkts aus seinem Sortiment (MüKo/Grundmann, a.a.O., BGB § 278 Rn 3 und 4). Dennoch ändert dieser Ansatz nichts an der Stoßrichtung des § 278 S. 1 BGB: Geschützt ist nur der Gläubiger des Schuldverhältnisses, Dritte allenfalls dann, wenn sie hierin einbezogen sind.