§ 823 Abs. 1 BGB sanktioniert die Verletzung von Verkehrs(sicherungs)pflichten. Als typisierte Tatbestände zeigen die §§ 831 bis 838 BGB, worum es bei der Verkehrssicherung geht: Aufsicht über unselbstständige Personen sowie über Sachen in Eigenbesitz (Erman/Wilhelmi, 16. Aufl. 2020, BGB § 823 Rn 79 f.). Jeder ist verpflichtet, das eigene (Aufsichts-)Verhalten und die eigenen Sachen so einzurichten, dass Verletzungen von Rechtsgütern anderer möglichst vermieden werden. Demgegenüber besteht eine Fürsorgepflicht zum Schutz fremder Rechtsgüter vor Gefahren, die ihnen aus der Sphäre Dritter oder infolge des Verhaltens des Rechtsgutsträgers selbst drohen, im Allgemeinen nicht; dies würde die Autonomie der Beteiligten aushebeln und zu paternalistischer Bevormundung führen (MüKo/Wagner, a.a.O., BGB § 823 Rn 454).
Dieser Zweckbestimmung entsprechend sind weder die Begründung einer Geschäftsbeziehung zu einem selbstständigen Auftragnehmer noch dessen Geschäftsbetrieb eine durch den Auftraggeber abzusichernde Gefahrenquelle. Zu den von § 823 Abs. 1 BGB sanktionierten Verkehrspflichten zählt die sorgfältige Auswahl und/oder Beaufsichtigung selbstständiger Dritter nur insoweit, als der Geschäftsherr eigene Sorgfaltspflichten an sie delegiert (z.B. bei der Abfallentsorgung: BGH, Urt. v. 26.9.2006 – VIâEUR™ZR 166/05, NJW 2006, 3628 Rn 11) oder ihr gefährliches Handeln begünstigt (z.B. bei der Gestaltung eines Online-Marktplatzes: BGH, Urt. v. 17.8.2011 – I ZR 57/09, BGHZ 191, 19 Rn 23). Solange der Auftraggeber seinem Auftragnehmer über die bloße Auftragserteilung hinaus keine gefährlichen Verhaltensvorgaben macht, kein gefährliches Handeln befördert und er auch keine gegenständlichen Gefahrenquellen (wie toxische Stoffe oder emittierende Anlagen) an ihn auslagert, scheidet eine Haftung des Auftraggebers wegen mangelhafter Auswahl oder Überwachung des Auftragnehmers aus (MüKo/Wagner, a.a.O., BGB § 823 Rn 116).
Hinweis:
Bei der Ausgestaltung von Outsourcingverträgen muss große Sorgfalt auf die Abgrenzung der Verantwortlichkeiten und die Regelung von Kontrollen durch den Aufttraggeber gelegt werden.
Ein Fall mittelbarer Verantwortlichkeit für Dritte i.R.d. § 823 Abs. 1 BGB ist die Produzentenhaftung. Hier bleibt zwar grds. jeder Unternehmer in der Lieferkette für den von ihm beigesteuerten Produktanteil selbst verantwortlich, aber alle Teile werden zu einem Gesamtprodukt vereint, sodass der Endhersteller sämtliche Bestandteile im Blick behalten muss (MüKo/Wagner, a.a.O., BGB § 823 Rn 925); frei nach dem Motto: "Den Letzten beißen die Hunde." Bemerkenswert in diesem Kontext ist die Regelung des § 4 ProdHG: Danach ist Hersteller nicht nur der klassische Produzent, sondern auch derjenige, der ein Produkt mit seiner Marke versieht oder der es importiert. Ist der eigentliche Hersteller nicht bekannt oder greifbar, gilt sogar jeder Lieferant als Hersteller. Dahinter steht der Zweck, dem Geschädigten die Rechtsverfolgung zu erleichtern, indem die mitunter schwierige Identifikation des Verantwortlichen innerhalb eines Geflechts interagierender Hersteller-, Zulieferer- und Vertriebsunternehmen teilweise überflüssig gemacht wird (MüKo/Wagner, a.a.O., ProdHG § 4 Rn 1).
Hinweis:
ProdHG und § 823 Abs. 1 BGB sind nebeneinander anwendbar (§ 15 Abs. 2 ProdHG).