Adhäsionsverfahren
Die Bestellung eines Pflichtverteidigers umfasst auch die Vertretung im Adhäsionsverfahren (BGH, Beschl. v. 27.7.2021 – 6 StR 307/21, NJW 2021, 2901; StraFo 2021, 473; StRR 11/2021, 31 m. Anm. Burhoff).
Auswahl des Pflichtverteidigers
Der Vorsitzende kann den Antrag auf Beiordnung eines bestimmten Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger zurückweisen, wenn dieser an geplanten Terminen nicht teilnehmen kann, die zur Wahrung des Beschleunigungsgrundsatzes mit Blick auf inhaftierte Mitangeklagte geboten sind (BGH, Beschl. v. 18.11.2021 – StB 35/21, StV 2022, 137 [Ls.]).
Bestellung, Allgemeine Voraussetzungen
Im Antrag eines Wahlverteidigers auf Beiordnung als Pflichtverteidiger ist die Ankündigung der Niederlegung des Wahlmandats für den Fall der Beiordnung zu sehen. Davon ist auch im Fall mangelnder eindeutiger Erklärung auszugehen (LG Passau, Beschl. v. 26.1.2021 – 1 Qs 6/21; AGâEUR™Schwerin, Beschl. v. 25.8.2021 – 36 Gs 1449/21).
Bestellung, Ausnahme
Die Ausnahmevorschrift des § 141 Abs. 2 S. 3 StPO, wonach die Bestellung unterbleiben kann, wenn beabsichtigt wird, das Verfahren alsbald einzustellen, betrifft nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur die Fälle der antragsunabhängigen Beiordnung von Amts wegen nach § 141 Abs. 2 Nr. 2 und 3 StPO, nicht aber die Beiordnung auf Antrag gem. § 141 Abs. 1 S. 1 StPO (LG Bremen, Beschl. v. 28.6.2021 – 41âEUR™Qs 243/21, StV 2021, 564 [Ls.]; LG Erfurt, Beschl. v. 16.6.2021 – 7 Qs 120/21, StV-S 2022, 21 [Ls.]; LGâEUR™Flensburg, Beschl. v. 9.12.2020 – II Qs 43/20; LG Frankfurt a.M., Beschl. v. 30.9.2021 – 5/31 Qs 22/21; LG Freiburg, Beschl. v. 26.8.2020 – 16 Qs 40/20, NStZ 2021, 191; LG Magdeburg, Beschl. v. 13.9.2021 – 23 Qs 50/21). Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift scheidet aus (u.a. LG Frankfurt a.M., a.a.O.; LG Freiburg, a.a.O.; LG Magdeburg, a.a.O.).
Bestellung, Fälle des § 140 StPO
Für die Beiordnungsgründe des § 140 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO ist es gleichgültig, wenn nach dem weiteren Verfahrensverlauf die Verurteilung nicht mehr wegen des angenommenen Verbrechens, sondern nur wegen eines Vergehens zu erwarten ist. Vielmehr bleibt die einmal notwendige Verteidigung solange notwendig, bis rechtskräftig (§ 143 Abs. 1 StPO) entschieden ist, dass kein Verbrechen vorliegt (LG Potsdam, Beschl. v. 17.11.2021 – 23 Qs 37/21).
Die Notwendigkeit der Verteidigung nach § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO ist unabhängig von der Dauer der Haft (LG Magdeburg, Beschl. v. 24.9.2021 – 25 Qs 81/21, StV 2022, 144 [Ls.]). Die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO liegen auch vor, wenn sich der Beschuldigte in anderer Sache inâEUR™Untersuchungshaft befindet (u.a. LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 4.5.2021 – 12 Qs 22/21, StV 2022, 144 [Ls.]). Bei einer Anstalt muss es sich nicht um eine JVA handeln, auch der Grund für den Aufenthalt in einer Anstalt ist nicht von Bedeutung (LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 4.5.2021 – 12 Qs 20/21, StraFo 2021, 287; StV 2021, 630 [Ls.]). Es reicht auch, wenn gegen den Beschuldigten Auslieferungshaft in anderer Sache im Ausland zum Zwecke der Überstellung ins Inland vollzogen wird (LG Nürnberg-Fürth, a.a.O.).
§ 140 Abs. 1 Nr. 11 StPO ist im Hinblick auf hör- und sprachbehinderte Beschuldigte wie § 140 Abs. 2 S. 2 StPO a.F. auszulegen. Das Stottern eines Beschuldigten begründet den Fall einer notwendigen Verteidigung lediglich dann, wenn die Behinderung einen solchen Grad annimmt, dass die Befürchtung besteht, der Beschuldigte werde wegen seines Gebrechens nicht alles Notwendige sagen (OLG Braunschweig, Beschl. v. 25.5.2021 – 1 Ws 121/21).
Bestellung, Fall des § 141 StPO
Nach den Maßgaben des neugefassten § 141 Abs. 2 S. 1 StPO wird dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, in den Fällen der notwendigen Verteidigung, "unabhängig" von dessen Antrag, ein Pflichtverteidiger bestellt (BGH, Beschl. v. 4.6.2021 – 2 BGs 254/21, StRR 9/2021, 14). Dies gilt nicht nur für Fälle, in denen bereits Anklage erhoben worden und die Verfahrensherrschaft auf das angerufene Gericht übergangenen ist (§ 142 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 StPO), sondern insb. auch fürâEUR™ermittlungsrichterliche Entscheidungen im Vorverfahren (BGH, a.a.O.). Die Möglichkeit, von einer Bestellung in denjenigen Fällen abzusehen, in denen beabsichtigt ist, das Verfahren alsbald einzustellen (§ 141 Abs. 2 S. 3 StPO), gilt nicht für Fälle einer beantragten Pflichtverteidigerbeiordnung nach § ...