1. Änderungen im Recht der Wiederaufnahme (§ 362 StPO)
In der 20. Legislaturperiode ist das "Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung – Erweiterung der Wiederaufnahmemöglichkeiten zuungunsten des Verurteilten gem. § 362 der Strafprozessordnung (Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit)" noch am 24.6.2021 im Bundestag beschlossen worden (BT-Drucks 19/30399). Nachdem am 17.9.2021 der Bundesrat mit der Neuregelung befasst war,âEUR™hat es geraume Zeit gedauert, bis der Bundespräsident das Gesetz, da er verfassungsrechtliche Bedenken hatte, am 21.12.2021 ausgefertigt hat. Es ist dann am 29.12.2021 im BGBl veröffentlicht worden (BGBl I, S. 5252). Die Änderungen zuungunsten rechtskräftig Freigesprochener sind damit am 30.12.2021 in Kraft getreten (wegen der weiteren Einzelheiten s. Burhoff ZAP F. 22, S. 1065 ff.).
2. Verteidigung aufgepasst: § 32d StPO in Kraft!
Durch das "Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs" v. 5.7.2017 (BGBl I, S. 2208) sind durch Einführung der §§ 32 ff. StPO die Grundlagen für die elektronische Akte und die elektronische Kommunikation im Strafverfahren gelegt worden (zur Akteneinsicht in die elektronische Akten Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, Rn 394 ff. m.w.N. aus der Literatur [im Folgenden kurz: Burhoff/Burhoff, EV]). Während die meisten neuen Regelungen am Tag nach der Verkündung des Gesetzes oder zum 1.1.2018 in Kraft getreten sind, ist der für die elektronische Kommunikation von Verteidigern und Rechtsanwälten bedeutsame § 32d StPO erst jetzt zum 1.1.2022 wirksam geworden.
Die Bestimmung des § 32d StPO hat für die Verteidigung besondere Bedeutung, denn sie sieht eine Pflicht zur elektronischen Übermittlung vor. Nach § 32d S. 1 StPO sollen Verteidiger und Rechtsanwälte den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln. § 32d S. 2 StPO normiert, dass die Berufung und ihre Begründung (§§ 314, 317 StPO), die Revision, ihre Begründung undâEUR™die Gegenerklärung (§§ 341, 344, 345, 347 StPO) sowie die Privatklage (§§ 374 ff. StPO) und die Anschlusserklärung bei der Nebenklage (§ 396 StPO) als elektronisches Dokument (Stichwort: beA) übermittelt werden. Nur wenn das aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, ist nach § 32d S. 3 StPO die Übermittlung in Papierform zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen (§ 32d S. 4 StPO; wegen der Einzelh. zu allem Deutscher StRR 2/2022, 5; VRR 2/2022, 5).
Hinweis:
Im Hinblick auf die sonst drohende Fristversäumung muss der Verteidiger diese Neuregelung dringend beachten.
Nach § 110c S. 1 OWiG gilt § 32d StPO für das Bußgeldverfahren entsprechend. Ob das auch für den vomâEUR™Verteidiger eingelegten Einspruch gegen den Bußgeldbescheid gilt (§ 67 OWiG), ist noch nicht abschließend geklärt (vgl. einerseits verneinend für Goehler u.a., OWiG, 18. Aufl. 2021, § 110c Rn 4 und § 67âEUR™Rn 21a, andererseits bejahend BeckOK-StVR/Krenberger, § 110c OWiG Rn 13). Sicherheitshalber sollte der Verteidiger, bis die Frage obergerichtlich geklärt ist, das beA auch für den Einspruch nutzen.