1. Besetzungseinwand (§ 222a StPO)
Durch das "Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens" v. 10.12.2019 (BGBl I, S. 2121) ist das Recht des Besetzungseinwands durch Einführung eines sog. Vorabentscheidungsverfahrens grundlegend geändert worden (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, EV, Rn 1200 ff.; Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, Rn 931 ff.; Burhoff StRR 8/2020, 5 ff. Lantermann HRRS 2022, 32). Erste Rechtsprechung zu der Neuregelung hat der Verf. bereits in ZAP F. 22, S. 1181, 1189 ff. vorgestellt.
Vor kurzem hat nun das OLG Saarbrücken zu § 222b StPO Stellung genommen (Beschl. v. 3.11.2021 – 1âEUR™Ws 73/21). Danach kann sich der Besetzungseinwand nach § 222b StPO nur auf solche Fälle vorschriftswidriger Besetzung in erstinstanzlichen Verfahren vor dem LG und OLG beziehen, die auch von § 338 Nr. 1 StPO erfasst sind. Im Verfahren war die Besetzung der Strafkammer gerügt worden. Zur Begründung hatte der Verteidiger im Wesentlichen vorgetragen, dass der frühere Verteidiger desâEUR™Angeklagten zum Zeitpunkt seiner Mandatierung in dem Verfahren Sozius einer Rechtsanwaltskanzlei in Saarbrücken gewesen sei und die nun beisitzende Richterin zu dieser Zeit als angestellte Rechtsanwältin in dieser Kanzlei tätig gewesen sei, weshalb von einer Vorbefassung der Richterin i.S.d. § 22 Nr. 4 StPO auszugehen sei. Die Wirtschaftsstrafkammer hat die Besetzungsrügen als unbegründet zurückgewiesen und die Akte dem OLG zur Vorabentscheidung über den Besetzungseinwand vorgelegt. Die Besetzungsrüge hatte (auch) beim OLG keinen Erfolg.
Das OLG hat den Besetzungseinwand bereits als unzulässig angesehen. Der in § 222b StPO geregelte Einwand, dass das Gericht vorschriftswidrig besetzt sei, könne sich – so das OLG – im Hinblick auf die in § 338 Nr. 1 Halbs. 2 StPO für die Besetzungsrüge normierte Rügepräklusion nach der gesetzlichen Systematik nur auf solche Fälle vorschriftswidriger Besetzung in erstinstanzlichen Verfahren vor demâEUR™LG und OLG beziehen, die auch von § 338 Nr. 1 StPO erfasst sind. Insoweit sei jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jede Verletzung der gesetzlichen Vorschriften über die mitwirkenden Richter dazu führe, dass die Besetzung des Gerichts i.S.d. § 338 Nr. 1 Halbs. 1 StPO vorschriftswidrig ist (vgl. LR-Franke, StPO, § 338 Rn 6). Letzteres gelte insb. auch für die Fälle, in denen die Mitwirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen Richters geltend gemacht werde (vgl. SK-StPO/Frisch, § 338 Rn 9), da der Gesetzgeber insoweit in § 338 Nr. 2 StPO einen eigenen Revisionsgrund geschaffen habe und diese Vorschrift gegenüber § 338 Nr. 1 StPO vorrangig sei (vgl. LR-Franke, a.a.O., § 338 Rn 61; SK-StPO/Frisch, a.a.O., § 338 Rn 71; KK-StPO/Gericke, § 338 Rn 57; MüKo-StPO/Knauer/Kudlich, § 338 Rn 54; SSW-StPO/Momsen/Momsen-Pflanz, § 338 Rn 24). Das war nach Auffassung des OLG hier aber der Fall. Denn der Angeklagte habe mit seinem Einwand ausschließlich geltend gemacht, dass die Richterin aufgrund ihrer früheren Tätigkeit als Rechtsanwältin in der Kanzlei, der sein vormaliger Verteidiger angehört hat, kraft Gesetzes von der Mitwirkung an dem Verfahren ausgeschlossen sei. DaâEUR™dieses Vorbringen somit eine Besetzungsrüge nach § 338 Nr. 1 StPO schon dem Grunde nach nichtâEUR™begründen könne, könne es auch im Verfahren nach § 222b StPO von vornherein keine Berücksichtigung finden und sei mithin unstatthaft.
Hinweis:
Der Besetzungseinwand wäre nach Auffassung des OLG i.Ü. auch deshalb unzulässig gewesen, weil erâEUR™nicht den an ihn nach § 222b Abs. 1 S. 2 StPO zu stellenden Anforderungen genügte, wonach die Tatsachen, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung ergeben soll, anzugeben seien (vgl. dazu –âEUR™schon zum alten Recht KG, Beschl. v. 1.3.2021 – 4 Ws 14/21, StRR 5/2021, 3 [Ls.]; OLG Bremen, Beschl. v.âEUR™14.4.2020 – 1 Ws 33/20, NStZ 2020, 565; OLG Celle, Beschl. v. 27.1.2020 – 3 Ws 21/20, StRR 3/2020, 15;âEUR™OLG Hamm, Beschl. v. 18.8.2020 – III-1 Ws 325/20; s.a. Burhoff/Burhoff, HV, Rn 931 ff.).
Das OLG Saarbrücken (a.a.O.) hat zudem eine Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 1 StPO getroffen undâEUR™sich damit ebenfalls der wohl h.M. in der OLG-Rechtsprechung angeschlossen (vgl. hierzu KG, OLGâEUR™Bremen, OLG Celle und OLG Hamm, jeweils a.a.O.; s.a. BT-Drucks 19/14747, S. 32).
2. Ordnungsmaßnahme gegen den sich selbst verteidigenden Rechtsanwalt
Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen einen sich selbst verteidigenden Rechtsanwalt ist zulässig. Das ist das Fazit des OLG Oldenburg im Beschluss vom 3.1.2022 (2 Ss [OWi] 240/21, StRR 2/2022, 22), dass damit ein gegen einen Rechtsanwalt in der Hauptverhandlung wegen der Weigerung, in der Sitzung eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, verhängtes Ordnungsgeld "abgesegnet" hat.
Das AG hatte den Betroffenen, einen Rechtsanwalt, wegen eines Verstoßes gegen eine "Corona-Allgemeinverfügung" betreffend die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung an öffentlichen Plätzen zu einer Geldbuße von 100 EUR verurteilt. Der Betroffene hatte sich trotz Maskenpflicht geweigert – auch auf eine entsprechende Aufforderung der Polizei – eine Maske im...