Nach Ansicht des EuGH-Generalanwalts Pikamäe verstößt die Erstellung eines sog. Score-Werts – d.h. eines Wahrscheinlichkeitswerts für die Kreditwürdigkeit einer Person – durch die deutsche SCHUFA Holding AG (im Folgenden: Schufa) gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Zudem hat der Generalanwalt Bedenken gegen die Speicherdauer bei den Schufa-Einträgen: Die Schufa dürfe Daten aus öffentlichen Verzeichnissen – z.B. dem Register der Insolvenzgerichte – nicht länger speichern als diese selbst, teilte der EuGH-Generalanwalt Mitte März in seinen Schlussanträgen zu mehreren aus Deutschland stammenden Verfahren mit.
Hintergrund der Verfahren vor dem EuGH sind Fälle, die von deutschen Gerichten vorgelegt wurden. In einem der Fälle hatte der Kläger die Schufa vergeblich aufgefordert, einen Eintrag zu löschen und ihm Zugang zu den Daten zu gewähren, nachdem ihm aufgrund eines offenbar zu niedrigen Score-Werts ein Kredit verwehrt worden war. In zwei weiteren Verfahren geht es um die Praxis der Schufa, auch Insolvenzeinträge, die i.d.R. sechs Monate nach einer (vorzeitigen) Restschuldbefreiung aus dem deutschen Insolvenzregister getilgt werden, ihrerseits erst nach drei Jahren zu löschen. Der Generalanwalt des EuGH kommt in allen Verfahren zu dem Schluss, dass das Vorgehen der Schufa nicht mit EU-Recht vereinbar ist.
Was das Erstellen von Score-Werten betrifft, führt er aus, dass die von der Schufa praktizierte Erstellung eines Wahrscheinlichkeitswerts über die Kreditwürdigkeit mittels eines Algorithmus eine verbotene automatische Entscheidung i.S.d. Art. 22 Abs. 1 DSGVO darstellt. Das gelte auch, wenn im Anschluss daran noch ein Dritter wie z.B. eine Bank oder eine Versicherung endgültig entschieden, ob die betreffende Person kreditwürdig sei. Was die Dauer der Speicherung von Daten über Personen angeht, führt Pikamäe aus, dass eine weitere Speicherung durch eine private Wirtschaftsauskunftei nicht rechtmäßig sein könne, wenn die Daten bereits aus den öffentlichen Registern gelöscht worden seien.
Dies folgt seiner Auffassung nach daraus, dass die DSGVO die Verarbeitung personenbezogener Daten nur unter engen Voraussetzungen zulässt; u.a. müsse ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden und zudem dürften die Grundrechte und Grundfreiheiten der Person, deren Daten geschützt werden sollen, nicht überwiegen. Hier müsse deshalb gewichtet werden, dass die erfolgte Restschuldbefreiung es dem Begünstigten ermöglichen solle, sich erneut am Wirtschaftsleben zu beteiligen. Dieses Ziel würde jedoch vereitelt, wenn private Wirtschaftsauskunfteien berechtigt wären, personenbezogene Daten in ihren Datenbanken weiter zu speichern, auch wenn sie bereits aus dem öffentlichen Register gelöscht worden seien. Die Betroffenen hätten daher das Recht zu verlangen, dass die sie betreffenden personenbezogenen Daten unverzüglich gelöscht würden.
Die Schlussanträge des Generalanwalts in einem Verfahren sind für die Richter des EuGH nicht bindend; in vielen Fällen folgen sie ihm jedoch. Das Urteil wird in einigen Monaten erwartet.
Als Reaktion auf das Gutachten des Generalanwalts kündigte die Schufa an, ab sofort die Speicherdauer für Einträge zu abgeschlossenen Privatinsolvenzen von drei Jahren auf sechs Monate zu verkürzen. Auf diese Weise soll „Klarheit und Sicherheit für die Verbraucherinnen und Verbraucher” geschaffen werden, sagte Ole Schröder, Vorstandsmitglied der Schufa.
[Quelle: EuGH/Schufa]